Auf einer Nanooberfläche lassen sich Herzmuskelzellen so nachzüchten, dass sie entlang einer vorgegebenen Richtung wachsen. Dadurch verhalten sie sich wie im gesunden Gewebe. Angeborene Herzfehler bei Kindern könnten so korrigiert und Patienten nach einem Infarkt behandelt werden.
Die Herzmuskelzellen ziehen sich blitzschnell und in regelmäßigen Abständen zusammen. „Diese Kontraktionen erfolgen dabei immer in eine vorgegebene Richtung“, sagt Karin Kiefer, die in der Klinik für Kinderkardiologie am Homburger Uniklinikum bei Prof. Dr. Hashim Abdul-Khaliq forscht. Bei einer Erkrankung des Herzmuskels können diese Zellen absterben oder ihre volle Funktion nicht mehr erfüllen. In der Folge ist das Herz nicht mehr so leistungsfähig. Um Betroffene besser zu therapieren, arbeiten Forscher daran, Herzmuskelzellen im Labor zu züchten. Diese könnten dann in das abgestorbene Gewebe transplantiert werden.
Das Problem: Mit einem einfachen Wachsen der Zellen alleine ist es nicht getan. „Damit sich die gezüchteten Zellen wie im Herzmuskel gemeinsam zusammenziehen, müssen sie in dieselbe Richtung wachsen“, erklärt Kiefer. „Würde man die Zellen zum Beispiel einfach nur in den Muskel spritzen, würden sie dort kreuz und quer wachsen.“ Gemeinsam mit Forschern des Leibniz-Instituts für Neue Materialien um Cenk Aktas und Juseok Lee vom Programmbereich CVD/Biooberflächen hat das Team der Saar-Uni eine Art Nanopflaster entwickelt, auf dem die Zellen in eine vorgegebene Richtung wachsen. Das Pflaster besteht aus einem hauchdünnen Aluminium-Plättchen, das mit einer Aluminiumoxidschicht überzogen ist. Das Besondere an den Plättchen ist die Struktur, wie Kiefer erläutert: „Die einzelnen Aluminiumoxid-Komponenten kann man sich wie eine Portion Spaghetti auf einem Teller vorstellen.“ Für ihre Studie haben die Wissenschaftler die Spaghetti-Struktur mit einem Laser bearbeitet und parallel verlaufende Linien hineingeschnitten. Dabei haben sie verschiedene Plättchen erzeugt, deren Linien Abstände zwischen ein und acht Mikrometern besitzen. Anschließend haben sie die Zellen darauf aufgebracht. Dieses Material wurde bereits vor ein paar Jahren von Saarbrücker Chemikern um Prof. Dr. Michael Veith entwickelt. Die Forscher konnten damals bereits nachweisen, dass es für biologische Proben gut verträglich ist. Die Abbildung zeigt eine Aufnahme eines Rasterelektronenmikroskops. Zu sehen sind Herzmuskelzellen, die auf einem Aluminiumplättchen entlang der Linien-Struktur wachsen. © Karin Kiefer, Universität des Saarlandes
„Wir konnten zeigen, dass die mit dem Laser bearbeitete Nanostruktur den Herzmuskelzellen eine Wuchsrichtung vorgibt“, kommentiert die Biologin die Ergebnisse. Am besten sind die Zellen in eine gemeinsame Richtung gewachsen, wenn die Linien zwei bis vier Mikrometer breit waren. Bei unbehandelten Plättchen kam es hingegen zu ungeordnetem Wachstum. In Folgestudien müsste nun geklärt werden, inwieweit sich die so gezüchteten Zellen auch wie natürliche Zellen im Gewebe zusammenziehen können. Darüber hinaus ist denkbar, das Pflaster mit einem Material zu entwickeln, das sich im Körper selber abbaut. Mediziner könnten das Nanopflaster nutzen, um Kinder zu therapieren, die an einem angeborenen Herzfehler leiden. Mit der Technik könnten etwa Löcher zwischen den Kammern und Vorkammern des Herzens geschlossen werden. Aber auch bei anderen Patienten, beispielsweise nach einem Herzinfarkt, könnte die Methode zum Einsatz kommen. Originalpublikation Alignment of human cardiomyocytes on laser patterned biphasic core/shell nanowire assemblies Karin Kiefer et al.; Nanotechnology, doi: 10.1088/0957-4484/25/49/495101; 2015