„Ist Kaffee wirklich schlecht für mein Herz?“ – diese Frage hören Kardiologen oft von ihren Patienten. Auf dem AHA-Kongress wurden neue Ergebnisse zu Koffein und Herzrhythmusstörungen vorgestellt.
Herzrhythmusstörungen sind unangenehm und für Patienten oft eine psychische Belastung. Inwieweit Alkohol, Koffein oder andere Alltagsgewohnheiten potentielle Auslöser dafür sein können, dass das Herz aus dem Takt kommt, ist Gegenstand aktueller Forschung. Viele Kardiologen raten ihren Patienten von vermehrtem Kaffee-Konsum ab – oft eine unbeliebte Empfehlung. Auf dem diesjährigen Kongress der American Heart Association (AHA) wurden zwei interessante Studien vorgestellt, die diesem Thema gewidmet wurden.
Ein Großteil der Literatur beschreibt, dass Koffein sogar eine relativ günstige Wirkung auf den Herzrhythmus hat. Immer wieder gibt es jedoch auch Ausreißer, wie eine kleine Fall-Kontroll-Studie, die darauf hindeutete, dass Koffein die Wirksamkeit der Adenosinbehandlung von Patienten mit supraventrikulären Tachykardien beeinträchtigen könnte. Die auf dem Kongress vorgestellte CRAVE-Studie (the coffee and real-time atrial and ventricular ectopy (CRAVE) trial), eine kleine randomisierte Studie, ergänzt jetzt frühere Forschungsarbeiten der kalifornischen Arbeitsgruppe um den Arzt Gregory Marcus, die ergaben, dass ein Kaffeekonsum von zwei Tassen pro Tag mit keinem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern und (supra-)ventrikulären Tachykardien verbunden war.
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An der CRAVE-Studie nahmen 100 gesunde junge Freiwillige ohne Herzrhythmusstörungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen teil. Sie wurden zwei Wochen lang angewiesen, in einem täglich wechselnden Turnus entweder auf Kaffee zu verzichten oder diesen zu konsumieren.
Marcus merkte später an, dass eines der größten Hindernisse darin bestand, Probanden zu finden, die bereit waren, tageweise auf Kaffee zu verzichten. „Die Randomisierung war zwar so angelegt, dass wir unseren Teilnehmern versichern konnten, dass sie nie mehr als zwei Tage ohne Kaffee auskommen würden“, aber dies reichte wohl nicht, um einige Leute zu überzeugen. Mehr als 50 % der Teilnehmer waren weiblich, das Durchschnittsalter lag bei 38 Jahren.
Für die Erhebung trugen die Teilnehmer ein Fitnessarmband (Fitbit) am Handgelenk, mit dem ihre Schlafqualität beurteilt und ihre Schrittzahl gemessen wurde. Außerdem bekamen sie ein Langzeit EKG-Gerät sowie einen Glukosesensor zum Anlegen. Zu Beginn der Studie wurde bei allen Teilnehmern eine DNA-Analyse durchgeführt, um ihren Koffeinstoffwechsel-Typ zu bestimmen.
Die Probanden erfassten ihren Kaffeekonsum per Zählgerät und wurden täglich befragt. Die Wissenschaftler erfassten körperliche Aktivität, den Herzrhythmus und die Glukosewerte aller Teilnehmer während des Versuchszeitraumes.
Es gab keine Unterschiede zwischen Kaffee-Tagen und Nicht-Kaffee-Tagen in Bezug auf das Auftreten vorzeitiger Vorhofkontraktionen (PACs) (RR 1,09; 95% CI 0,98-1,20). Kaffeekonsum war jedoch mit weniger Episoden supraventrikulärer Tachykardien (RR 0,84; 95% CI 0,69-1,03) und mit mehr vorzeitigen ventrikulären Kontraktionen (PVCs) verbunden (HR 1,54; 95% CI 1,19-2,00). Was außerdem auffiel: Die Teilnehmer gingen an den Tagen, an denen sie Kaffee trinken durften, im Schnitt 1.000 Schritte mehr als an den Tagen, an denen sie keinen Kaffee tranken.
Wie erwartet hatte Kaffee auch einen deutlichen Einfluss auf den Schlaf der Teilnehmer. An Kaffee-Tagen bekamen diese im Schnitt 36 Minuten weniger Schlaf pro Nacht als an Nicht-Kaffee-Tagen. Mit steigender Anzahl konsumierter Koffeinheißgetränke war der Effekt noch größer. Auf die täglichen Blutzuckerwerte hatte der Kaffeekonsum keinen Einfluss. Ebenfalls nicht überraschend: Die DNA-Analysen ergaben, dass langsame Koffeinverwerter eher von Schlafentzug betroffen waren als schnelle Verwerter.
Auch eine weitere auf dem Kongress am Wochenende vorgestellte Studie beschäftigte sich mit potentiellen Auslösern für Herzrhythmusstörungen bzw. im konkreten Fall mit Auslösern für paroxysmales Vorhofflimmern. Auch hier war Gregory Marcus als leitender Arzt beteiligt.
Bei der I-STOP-AFib-Studie, die während der Late-Breaking-Science-Session vorgestellt und gleichzeitig in JAMA Cardiology veröffentlicht wurde, handelt es sich um eine klinische Fernstudie bei der Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern nach dem Zufallsprinzip einem n-of-1 Trigger-Test oder einer alleinigen Überwachung unterzogen wurden. Bei einem n-of-1-Versuch wird zunächst jeder Patient als einzelne Fallstudie betrachtet. Patienten wurden in die Studie aufgenommen, wenn sie bereit dazu waren, potentielle Auslöser für Vorhofflimmern zu testen. Zu diesen Auslösern gehörten Alkohol, Koffein, Schlafmangel, körperliche Betätigung, Dehydrierung, sehr kalte Speisen/Getränke, Liegen auf der linken Seite und der Verzehr von großen Mahlzeiten.
Marcus erklärt bei der Session, was ihn und seine Kollegen zu der Erhebung veranlasste. „Wir fragten die Patienten: Was ist Ihnen wichtig, und bei was haben Sie das Gefühl, dass es von Klinikern oder Forschern ignoriert wird? Und sie sagten: Auslöser für unsere Episoden von Vorhofflimmern.“ In der Klinik, aber auch in Online-Foren sei das ein sehr präsentes Thema. Dort würden die Leute viel über mögliche Auslöser diskutieren – aber sie jemals wirklich formell untersucht habe das bisher Niemand.
Für die Studie wurden 251 Teilnehmer gebeten, Auslöser ihres Vorhofflimmerns zu einem bestimmten Zeitpunkt während eines einwöchigen Blocks durchzuführen und sie dann in der folgenden Woche zu vermeiden. Das ganze wiederholten sie dreimal für insgesamt 6 Wochen. Anschließend wurden die Teilnehmer weitere 4 Wochen beobachtet und dazu aufgefordert, Änderungen in ihrem Lebensstil auf der Grundlage der Erkenntnisse vorzunehmen. Der am häufigsten von Patienten genannte Auslöser für Vorhofflimmern war Koffein (n = 53), gefolgt von Alkohol (n = 43), reduziertem Schlaf (n = 31) und körperlicher Betätigung (n = 30). Als Kontrollgruppe wurden 248 Teilnehmer 10 Wochen lang nur beobachtet. Gemessen wurde das ganze mithilfe eines mobilen EKG-Gerätes.
Die subjektive Lebensqualität wurde mithilfe des AFEQT-Scores erfasst. Im Vergleich zu den Ausgangsergebnissen unterschieden sich die AFEQT-Werte nach 10 Wochen nicht signifikant zwischen den Teilnehmern der n-of-1-Tests und der Kontrollgruppe. In der 4-wöchigen Nachbeobachtungsphase nach dem Test hatten die Teilnehmer im Vergleich zur Kontrollgruppe jedoch signifikant weniger tägliche Episoden von Vorhofflimmern (bereinigtes RR 0,60; 95% CI 0,43-0,83). Als die Forscher alle n-of-1-Auslöser in einer Metaanalyse zusammenfassten, war zu erkennen, dass Alkoholkonsum mit einem signifikant erhöhten Risiko für Vorhofflimmern verbunden war (OR 2,15; 95% CI 1,27-3,61). Keiner der anderen Trigger konnte mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern in Verbindung gebracht werden.
Marcus vermutet, dass es sich eher um eine Kombination aus kausalen Auslösern und Verfügbarkeits- oder Unmittelbarkeitsfehlern handele, bei denen die Patienten die Episode einfach auf etwas zurückführen, das sie vor kurzem getan haben, wie z. B. Kaffee trinken, auf der Seite liegen oder ein kaltes Getränk zu sich nehmen. Mittlerweile gebe es aber viele Hinweise darauf, dass Alkohol einen Einfluss auf Vorhofflimmern haben könne. „Die meisten Untersuchungen befassen sich aber eher mit den chronischen Auswirkungen von Alkohol auf die Diagnose von Vorhofflimmern“, so Marcus. Ihre Forschungserbenisse zeigten, dass auch akuter Alkoholkonsum mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern verbunden war.
Für Jim Cheung, Mitglied des Elektrophysiologischen Rates des American College of Cardiology, liefert die Studie weitere Beweise dafür, dass Alkohol offenbar mit häufigerem Vorhofflimmern in Verbindung gebracht wird, während Koffein kein Auslöser ist. „Diese Ergebnisse stimmen mit den vorhandenen Daten überein, die sich mit dieser Frage befasst haben“, so Cheung. „Die Daten zu Alkohol und Vorhofflimmern sind jetzt ziemlich solide.“ In seiner Praxis empfehle er Patienten mit Vorhofflimmern, Alkohol so weit wie möglich zu vermeiden oder zu minimieren, insbesondere wenn sie ihn als Auslöser angeben. „Die Frage, wie viel [Alkohol] in Ordnung ist, ist schwieriger zu beantworten. In meiner Praxis ist das oft eine Verhandlungssache“, erzählt er.
Bildquelle: Pawel Czerwinski, unsplash