In Österreich gilt er ab heute, in Deutschland könnte er noch kommen: Der Lockdown für Ungeimpfte. Das geht aus den Plänen der Ampelkoalition hervor. Auch eine Impfpflicht für bestimmte Berufe soll offenbar geplant sein.
Um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen, greift Österreichs Regierung jetzt zu drastischen Maßnahmen: Seit dem heutigen Montag gilt der „Lockdown für Ungeimpfte“ – Personen ohne einen Nachweis über eine Impfung oder Genesung dürfen ihre Wohnung nur noch in Ausnahmefällen verlassen, etwa für Einkäufe, Arztbesuche oder den Weg zur Arbeit.
Damit wollen Bundeskanzler Alexander Schallenberg und die Regierungschefs der Länder die Impfbereitschaft in der Bevölkerung erhöhen. „Der einzige Weg, diesen Teufelskreis der Pandemie zu durchbrechen, ist und bleibt die Impfung“, appelliert Österreichs Bundeskanzler Schallenberg an die Bürger. Derzeit stagniert die dortige Impfquote bei knapp 65 Prozent; gleichzeitig erreicht die 7-Tage-Inzidenz einen Rekordwert von über 800.
In Deutschland sieht es nicht besser aus. Auch hierzulande schwächelt die Impfkampagne, die Inzidenz klettert zu Beginn dieser Woche auf ein Allzeithoch von über 300 und Kliniken droht die Überlastung. Doch so weit wie die Österreicher wagt man in Deutschland (noch) nicht, zu gehen. Immerhin sollen die derzeit geltenden Corona-Maßnahmen deutlich verschärft werden. Darauf haben sich die möglichen Koalitionsparteien SPD, Grüne und FDP jetzt geeinigt. So soll etwa die Möglichkeit zur Anordnung von Kontaktbeschränkungen doch nicht, wie ursprünglich geplant, abgeschafft werden. „Kontaktuntersagung oder 2G-Regelung heißt in weiten Teilen: Lockdown für Ungeimpfte. Das ist die Vulgärübersetzung“, erklärte Grünen-Chef Robert Habeck in den Tagesthemen.
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Die Länder sollen zudem die Möglichkeit behalten, Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie Versammlungen untersagen oder beschränken zu können, das Betreten von Gesundheitseinrichtungen verbieten können, Verkauf und öffentlichen Konsum von Alkohol verbieten und Hochschulen schließen zu können. In Bus und Bahn wollen die Ampelfraktionen zudem demnächst die 3G-Regel einführen. Wie Marco Buschmann, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, twitterte, soll es unter anderem in Alten- und Pflegeheimen eine Testpflicht geben.
Aber das ist der Ampelkoalition jetzt offenbar nicht mehr genug: Am heutigen Montag erklärte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, man sei sich einig über die Einführung einer Impfpflicht in bestimmten Bereichen. „Wir werden eine Impfpflicht brauchen für Einrichtungen, bei Pflegeheimen, bei Kindertagesstätten et cetera. Wir werden das auf den Weg bringen“, sagte sie heute in Berlin. Dieser Vorstoß sei allerdings nicht Bestandteil der Reform des Infektionsschutzgesetzes, die diese Woche beschlossen werden soll, sondern eines separaten Gesetzgebungsverfahrens, erklärte Göring-Eckardt.
Doch ist sich die Ampel in dieser Frage wirklich einig? Es scheint zumindest noch Abstimmungsbedarf zu geben, wenn man einem Tweet des Bild-Redakteurs Julius Böhm Glauben schenken darf. In dem Tweet zitiert er die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus, die erklärt, dass es keine Einigung über eine Impfpflicht für bestimmte Berufe gebe. Das würden die drei Ampelparteien bald auch richtigstellen.
Kurze Zeit später meldete sich Göring-Eckardt dann tatsächlich erneut zu Wort: „Über eine Impfpflicht in Einrichtungen gibt es keine Einigung. Wenn ich da missverstanden worden bin, dann tut es mir leid“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende bei einer gemeinsamen Stellungnahme mit der SPD-Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar und Marco Buschmann von der FDP. Ganz so weit ist man mit der Impfpflicht für bestimmte Berufe also doch noch nicht.
Ohne die Verschärfungen der bisherigen Pläne wären bestimmte Maßnahmen nach dem Auslaufen des Rechtsstatus der „Epidemischen Lage nationaler Tragweite“ zum 25. November nicht mehr möglich. Auslaufen soll aber unverändert das Recht der Länder, Ausgangs- oder Reisebeschränkungen anzuordnen sowie Gastronomie- oder Hotelleriebetriebe oder Sportausübungen einzuschränken. Heute steht die zum Gesetzgebungsverfahren gehörende Anhörung von Experten an. Am Donnerstag soll das Parlament dann darüber abstimmen.
Derweil haben sich auch Mediziner und Wissenschaftler an die Regierung gewandt. In einem offenen Brief fordern sie von den politischen Verantwortlichen ein Umsteuern in der Corona-Bekämpfung. Darin kritisieren die Autoren unter anderem den Rückbau von Test- und Impfzentren. Sie regen an, einen professionellen Krisenstab einzurichten, dem Experten aus unterschiedlichen Fachdisziplinen, darunter Virologie, Medizin, aber „unbedingt auch Personen aus der Praxis angehören, die über extensive operative Leitungs- und Management-Erfahrung – etwa in Kliniken oder in erfolgreichen Unternehmen – verfügen“, heißt es in dem Schreiben.
Die Unterzeichner des Briefs sind enttäuscht über „die Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und über den wiederholt nachlässigen Umgang mit dem Wohlergehen der Menschen, die auf den Schutz des Staates angewiesen sind.“ Der Konsens der 35 Unterzeichner: „Es ist für uns unverständlich, dass die Verantwortungsträger dieses Landes eine solche Situation zugelassen haben.“
Bildquelle: Soheb Zaidi, unsplash