Mit dem Herbst startet die Nachfrage nach Medikamenten gegen die lästigen Erkältungen. Kann Zink dabei helfen? Forscher suchten nach einer Antwort auf die Frage.
Der Winter steht vor der Tür und die Erkältungssaison ist wieder in vollem Gange. Egal ob nun als behandelnder Arzt oder Apotheker, oder selber als Patient: um die Erkältung kommt wohl keiner rum. Akute virale Atemwegsinfektionen kommen mal schwer, mal weniger schwer daher und ihr Verlauf ist abhängig von vielen Faktoren. Zwar verlaufen die meisten grippalen Infekte glimpflich und lösen sich ganz ohne medizinische Intervention auf, aber dennoch besteht bei den betroffenen Patienten ein erhebliches Interesse nach Möglichkeiten zur Behandlung oder Prävention – letzten Endes bedeuten schließlich auch leichte Infektionen eine Einschränkung des Alltags, der Arbeitsfähigkeit und des allgemeinen Wohlbefindens.
Die Behandlung grippaler Infekte erfolgt rein symptomorientiert, an der Länge der Krankheitsphase ändert dies nicht viel. Eine Impfung, die bei der Prävention helfen würde, gibt es nur für die Influenza. Helfen sollen den Patienten allerlei nicht verschreibungspflichtige Medikamente verschiedenster Art. Eine beliebte Empfehlung für OTC-Medikamente: Zinkhaltige Präparate. Dazu, wie diese bei Erkältungen helfen können, gibt es verschiedene Theorien. Einerseits besitzen Zink-Ionen in-vitro nachgewiesenermaßen anti-virale Eigenschaften; andererseits spielt Zink auch in-vivo bei Immunprozessen, Entzündungsreaktionen und anderen Prozessen wie beispielsweise der ACE-Aktivität eine Rolle.
Ein australisches Forscherteam versuchte nun mithilfe einer großen Meta-Analyse herauszufinden, ob Zink tatsächlich bei der Behandlung und Vorbeugung von viralen Atemwegserkrankungen bei Erwachsenen helfen kann. Dazu verglichen sie 28 randomisierte, Placebo-kontrollierte Studien (RCTs) aus den USA, Europa, China und Australien mit insgesamt 5.446 Teilnehmern. Untersucht wurden die Studienergebnisse hinsichtlich des Auftretens von viralen Atemwegserkrankungen (Grippale Infekte, akute Bronchitis, Pharyngitis, Laryngitis, Sinusitis) plus Dauer und Schwere der Symptome. Auch Nebenwirkungen wurden in die Betrachtung mit einbezogen.
Die Studien unterschieden sich deutlich in Aufbau und Zielsetzung. So wurden beispielsweise verschiedene Zink-Formulierungen verwendet. Am häufigsten wurden Zinkacetate oder -Gluconate in Form von Lutschpastillen verabreicht, gefolgt von Nasensprays- und Gelen. Dosis und Dauer der Behandlungen schwankte dabei stark und war maßgeblich abhängig vom Applikationsweg. Grundsätzlich waren die täglichen Dosen bei oraler Gabe deutlich höher (15 bis 300 mg) als bei nasaler Gabe (0,9 bis 2,6 mg). Teils fokussierten sich die Studien nur auf die Behandlung von Atemwegserkrankungen, teils nur auf die Prävention.
Insgesamt konnten über die Primärstudien hinweg positive Ergebnisse beobachtet werden: eine prophylaktische Behandlung mit Zink konnte im Vergleich zur Placebobehandlung das Risiko reduzieren, Symptome einer Erkältung zu entwickeln. Etwa 5 Erkrankungen pro 100 Personen ließen sich so im Monat verhindern (95 % KI 1- 8, NNT = 20). Insbesondere das Risiko, moderate bis schwere grippe-ähnliche Symptome wie Fieber zu entwickeln konnte deutlich gesenkt werden (87 %; IRR 0.13, 95 % KI 0.04-0.38). Während die Zinkbehandlung zwar keinen signifikanten Effekt auf die die durchschnittliche tägliche Schwere der Symptome hatte, so verkürzte sie doch die durchschnittliche Dauer der Symptomatik – im Schnitt um 2 Tage (MD -2.05, 95 % KI -3,50 bis -0,59). Dies alles geschah ohne schwere Nebenwirkungen, obgleich das Risiko für leichte Nebenwirkungen wie Übelkeit oder gastrointestinale Beschwerden und Irritationen im Mundraum bei der Gabe von Zink im Vergleich zu Placebos erhöht war.
Diese Ergebnisse ergaben sich jedoch nur bei Infektionen, die sich die Probanden auf natürlichem Wege zugezogen hatten. In den Studien, in denen die Studienteilnehmer gezielt humanen Rhinoviren ausgesetzt wurden, ließen sich keine statistisch signifikanten Effekte feststellen. Weder die Wahrscheinlichkeit, eine Infektion zu entwickeln, noch die Symptomdauer und -Schwere konnten in diesen Fällen durch Zink-Gabe beeinflusst werden.
Deswegen – und aufgrund weiterer Limitationen – sollten die Ergebnisse der Studie nicht überbewertet werden. So war die zugrundeliegende Datenbasis zwar groß; die Primärstudien wiesen allerdings eine hohe Heterogenität auf und die einzelnen Datenpools waren eher klein. Gerade im Hinblick auf das Potenzial für Nebenwirkungen ist dieser Punkt relevant: Schwere, aber selten auftretende Nebenwirkungen – wie beispielsweise langanhaltender Geruchsverlust – lassen sich nicht komplett ausschließen, da RCTs mit ihren tendenziell kleinen Kohorten nicht darauf ausgelegt sind, solche seltenen Ereignisse zu identifizieren.
Zudem weisen die Forscher auch selber darauf hin, dass die Studie nach Beginn neu ausgerichtet wurde und dementsprechend post-hoc Entscheidungen bezüglich der Auswahl der Primärstudien getroffen wurden. Ursprünglich war das erklärte Ziel der Forscher, die Wirksamkeit von Zink auch speziell für die Behandlung von COVID-19 zu eruieren. Da zum Zeitpunkt der Analyse allerdings noch viele Daten aus entsprechenden Primärstudien ausstanden, beschränkten sich die Forscher allein auf Studien ohne SARS-CoV-2-Bezug. Dadurch wollten sie sicherstellen, dass die Ergebnisse, die sich nur indirekt auf COVID-19 übertragen lassen, für die Prävention und Behandlung nicht überbewertet werden.
Umsonst ist die Studie dennoch nicht. Die Autoren kommen zu dem Schluss, das Zink „eine brauchbare ‚natürliche‘ Alternative in der Selbstmedikation von nichtspezifischen Atemwegserkrankungen“ darstellt. Sie ziehen den Vergleich zu anderen OTC- und verschreibungspflichtigen Medikamenten, die ebenfalls nur geringe Vorteile bringen und potenzielle Risiken bergen. Mit den gut verträglichen Zink-Präparaten hätten Ärzte eine Option für Patienten an der Hand, denen sehr an einer schnelleren Erholung gelegen ist und die ansonsten unnötige Antibiotikabehandlungen fordern könnten.
Dabei betonen die Forscher, dass der Effekt der Zinkpräparate über den nahrungsergänzenden Ausgleich eines Zinkmangels hinaus geht: „Die zwei RCTs, die prophylaktisch orales Zink verwendeten, schlossen Zinkmangel vor Studienbeginn aus. Während zwar keine der anderen RCTs einen Mangel ausschloss, war das Risiko gering, da die Studienteilnehmer grundsätzlich gesund waren, und die drei RCTs, die in China durchgeführt wurden, benutzten alle eine niedrige Dosis intranasales Zink (1,15 mg täglich), die wahrscheinlich keine wesentlichen systemischen Effekte hat“. Dazu, wie Zink tatsächlich wirkt, lässt sich allerdings nach wie vor keine definitive Aussage treffen.
Beträchtliche Unsicherheiten verbleiben auch bezüglich Zusammensetzung, Dosis und Administration der Präparate. Auch der Zeitrahmen, in dem die Zink-Gabe am effektivsten ist, bleibt ungeklärt. Die allgemeine Empfehlung lautet, mit der Einnahme 24 h nach Einsetzen der Symptome zu beginnen; jedoch berichteten einige der Studien aus dem Datenpool auch bei einer späteren Gabe noch von signifikanter Reduktion des symptomatischen Zeitraums. Der Bedarf nach mehr Forschung zu dem Thema bleibt also vorerst bestehen.
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