Fieber unklarer Genese nennt man erhöhte Körpertemperaturen ohne sofort erkennbare Ursache. Es lässt sich auf unzählige Grunderkrankungen zurückführen. Ärzte finden sich somit in einem Labyrinth von möglichen Diagnosen wieder.
Ein 75-jähriger Patient stellte sich mit länger anhaltendem Fieber, Gewichtsverlust und Oberschenkelschmerzen am Poole Hospital im Süden Englands vor. Ärzte fanden nur erhöhte Werte beim C-reaktiven Protein und eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit. Ansonsten blieben alle Parameter unauffällig. Man vermutete eine Riesenzellarteriitis, also eine Gefäßentzündung unklarer Genese. Per Biopsie bestätigte sich die Verdachtsdiagnose aber nicht. Die Suche ging weiter.
Der Patient litt vor allem längere Zeit an höheren Körpertemperaturen ohne auf Anhieb erkennbare Krankheit. Robert G. Petersdorf und Paul B. Beeson aus Yale prägten dafür schon 1961 den Begriff „Fieber unklarer Genese“ (fever of unknown origin, FUO). Sie legten folgende Kriterien fest:
Heute gelten statt einer Woche nur noch drei Tage stationär oder ambulant. Abgesehen davon sind die Eckpunkte unverändert geblieben. Kennen Ärzte Vorerkrankungen, die Fieber aber nicht erklären, teilen sie Patienten nach folgendem Schema ein:
Gleichzeitig warnen Experten davor, ein FUO ohne Diagnose mit Glukokortikoiden, Antibiotika bzw. NSAIDs einfach „niederzuschlagen“. Verschwindet das Fieber, kann die Grunderkrankung trotzdem noch vorhanden sein.
Hinsichtlich möglicher Leiden zeichnen sich beim FUO drei große Bereiche ab. Nach erfolgreicher Diagnostik haben Ärzte insgesamt 46 Neoplasien mit Fieber in Verbindung gebracht. Besonders häufig sind Morbus Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphome oder solide Tumoren der Niere, des Darms beziehungsweise der Leber. Kollagenosen oder Vaskulitiden, allen voran rheumatisches Fieber, das Still-Syndrom, eine Riesenzellarteriitis, eine rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes, eine Granulomatose mit Polyangiitis u.v.m., können ebenfalls hinter dem FUO stecken. Ansonsten kommen noch Nebenwirkungen oder Interaktionen verschiedener Arzneistoffe zur Erklärung infrage. Seltener treten hereditäre, also erbliche Fiebersyndrome mit unterschiedlichen Gendefekten auf. Auch das Münchhausen-Syndrom beziehungsweise das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom sollten in Betracht gezogen werden: Täuschen Patienten eventuell nur Fieberschübe vor?
Die unterschiedlichen Auslöser sind für Ärzte wahre Detektivarbeit. Hinsichtlich der Belastung für Patienten, aber auch hinsichtlich der Kostensituation, gehen Ärzte schrittweise vor. Stufe 1: Screeningtests. Zu Beginn steht wenig überraschend eine ausführliche Anamnese inklusive familiärer Vorerkrankungen, früherer Leiden oder Eingriffe. Das schließt auch Fragen zu Auslandsreisen, Tierkontakten und Tätigkeiten im Beruf ein. Dazu gehören körperliche Untersuchungen der Haut, der Nasennebenhöhlen, der Lymphknoten, des Herzens und der Augen. Gynäkologische, gastroenterologische beziehungsweise urlogische Expertise kann ebenfalls erforderlich sein. Auch ein Röntgen-Thorax in zwei Ebenen, ein großes Blutbild inklusive Kulturen, Stuhl- und Urinuntersuchungen und eine Abdomen-Sonographie sind erforderlich. Mitunter verbergen sich seltene Erreger aus tropischen Ländern hinter einem FUO. Preisgünstige Last-Minute-Fernreisen haben das Risiko in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht. Stufe 2: Erweiterte Diagnostik. Blieb der erhoffte Erkenntnisgewinn aus, müssen Ärzte nachlegen. Hier stehen weitere fachärztliche Einschätzungen aus der Zahnmedizin, der Gynäkologie, der Kardiologie oder aus dem HNO-Bereich im Fokus. Und mit serologischen Screenings auf Mononukleose, Hepatitis, HIV, Toxoplasmose, Zytomegalie, Brucellose oder Tuberkulose (soweit initial noch nicht geschehen) kommt man dem Problem näher. Auch eine Endokarditis oder ein Vorhofmyxom könnten Erklärungen für die Beschwerden sein. Stufe 3: Zusätzliche technische bzw. invasive Diagnostik. Sind Ärzte auch nach der zweiten Stufe nicht wirklich schlauer geworden, bleibt nur noch schweres Geschütz. Lymphome oder Abszesse lassen sich im CT detektieren. Per Szintigraphie finden sich vielleicht wichtige Hinweise auf eine Osteomyelitis oder Spondylitis. Und potenziell verdächtige Organveränderungen erfordern Biopsien mit nachfolgender Beurteilung durch Pathologen.
Beim Patient aus dem Poole Hospital gingen Kollegen noch einen Schritt weiter. Sie arbeiteten mit der 18F-Fludeoxyglucose-PET. Der Marker wurde in größeren Gefäßen der unteren Extremitäten verstärkt aufgenommen. Damit handelte es sich um eine Vaskulitis. Hochdosierte Glukokortikoide führten zum raschen Therapieerfolg.