Mutationen im Titin-Gen können Herzerkrankungen auslösen. Forscher haben nun den Zusammenhang zwischen dem Protein und schwachen Herzen genauer untersucht – dabei gewannen sie wegweisende Erkenntnisse.
Durch Titin, das größte Protein des menschlichen Körpers, können sich Muskeln elastisch bewegen. Mutationen im Titin-Gen (TTN) können diese Funktion beeinträchtigen und sind somit eine häufige Ursache der sogenannten Dilatativen Kardiomyopathie, kurz DCM. Es handelt sich dabei um eine Erkrankung des Herzmuskels, die zu einer schwachen Pumpfunktion führt. „Genau genommen geht es um Verkürzungen im Titin-Gen, sogenannte Trunkationen, kurz TTNtv“, erklärt Prof. Wolfgang Linke, Uni Münster.
Die Verkürzung im Molekül betrifft allerdings nur eins der beiden TTN-Allele – das andere Allel ist gesund. Klar ist: Die TTNtv sind seit etwa einem Jahrzehnt als Auslöser der DCM bekannt. Weshalb Patienten mit einem TTNtv-Allel an DCM erkranken, war bislang unklar. Ein Experten-Team der Uni Münster untersuchte diese krankheitsauslösenden Mechanismen nun genauer.
Anhand von über 100 Herzgewebsproben entdeckte die Gruppe bislang unerkannte Pathomechanismen: Die TTNtv-DCM-Patienten enthalten in ihren Herzmuskelzellen weniger normales Titin als DCM-Patienten ohne TTNtv und als herzgesunde Menschen.
Das führt zu einem Problem: Weniger Titin bedeutet weniger zum Zusammenziehen fähige Einheiten. Das Resultat ist eine verminderte Kraftentwicklung und ein schwächeres Herz. „Das gesunde Allel produziert zwar normales Titin, kann die Schwäche des verkürzten Allels allerdings nicht kompensieren“, erklärt Linke.
Die Forscher konnten außerdem zeigen, dass auch Ersatz-Titinproteine nicht helfen: „Wir zeigen, dass die trunkierten Proteine den Herzmuskelzellen nichts mehr nützen, da sie nicht in die Sarkomere […] eingebaut werden", erklärt Studienleiter Linke. Stattdessen sammeln sich die trunkierten Proteine und verstopfen innerhalb der Zelle: „Ähnlich wie bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer könnten diese verklumpten Proteine ‚giftig‘ sein.“
Mutierte Proteine werden normalerweise möglichst schnell von Zellen durch die eigenen Abbausysteme beseitigt, durch die Produktion von trunkierten Proteinen kommen diese Systeme jedoch durcheinander. Dies ließ die Forscher auf eine weitere Erkenntnis stoßen: Die Herzmuskelzellen von TTNtv-DCM-Patienten haben ein Problem mit den eigenen Protein-Kontrollsystemen.
Die Erkenntnisse des Teams zeigen nicht nur, welcher Mechanismus genau krankheitsauslösend sind, sondern auch welche Maßnahmen bei TTNtv-DCM-Patienten für eine erfolgreiche Behandlung in Zukunft ergriffen werden könnten: „Wir zeigen an Zellkulturen, dass die Genschere CRISPR/Cas9 die Mutation wieder reparieren kann. Beim Patienten müsste die Genschere an Ort und Stelle ansetzen, also genau an der Herzmuskelzelle. Das ist in dieser Form noch nicht möglich – aber wenn es möglich wird, kann es die Patienten heilen.“ Wolfgang Linke ist hoch zufrieden: „Unsere Studie ist eine für das Feld wegweisende Arbeit“, betont er.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Daniel Fazio, unsplash.