Bei Patienten mit nichtalkoholischer Fettleber helfen deutsche Leitlinien nur bedingt weiter. Die US-Gastroenterologen geben jetzt sehr konkrete Management-Empfehlungen.
Die nichtalkoholische Fettleber oder NAFLD ist die häufigste Lebererkrankung in den Industrienationen. Sie ist nicht per se ein Problem, aber sie kann zu einer nichtalkoholischen Fettleberhepatitis (NASH) fortschreiten, die dann wiederum für chronische Lebererkrankungen bis hin zur Zirrhose prädisponiert. Die NAFLD kommt vor allem im Kontext des metabolischen Syndroms vor und zeigt, wie Adipositas und Typ-2-Diabetes, eine steigende Prävalenz.
Ärzten macht es die NAFLD leider nicht leicht, zumal in Deutschland, wo die S2k-Leitlinie der federführenden Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) aus dem Jahr 2015 stammt und vor bald zwei Jahren abgelaufen ist.
Die Leitlinie krankt zudem an einem typischen Syndrom vieler fachärztlicher Leitlinien: Es ist ein ellenlanges Dokument, bei dem man sich zumindest als primärversorgender Arzt am Ende trotzdem die Frage gestellt, was genau die Botschaft ist. Bezeichnenderweise hatte die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) damals abgewunken, als sie gefragt wurde, ob sie sich an der Leitlinie beteiligen wolle – ohne sich im Gefolge allerdings selbst um das Thema zu kümmern.
NAFLD-Hilfe kommt jetzt von jenseits des Atlantiks. Dort wurde unter Federführung der American Gastroenterological Association (AGA) ein so genannter Clinical Care Pathway definiert, in Deutschland wäre das so etwas wie eine klinische Praxisleitlinie. Publiziert wurde das lesenswerte Dokument im Journal of Gastroenterology. Die Empfehlungen sind keine rein gastroenterologischen Empfehlungen, sondern sie wurden von einem interdisziplinären Panel im Konsensverfahren formuliert.
Im ersten Schritt empfehlen die US-Kollegen, jene Patienten zu identifizieren, die ein erhöhtes NAFLD-Risiko aufweisen. Das sind im Wesentlichen drei Gruppen. Die ersten beiden Gruppen sind die klassischen „Metaboliker“, nämlich zum einen Typ-2-Diabetes-Patienten, zum anderen Nicht-Diabetiker mit zwei oder mehr metabolischen Risikofaktoren, also zum Beispiel stammnahe Adipositas, hohe Triglyceride oder ein Prädiabetes. Die dritte Gruppe sind Patienten mit dem Zufallsbefund einer Steatose in der Bildgebung und/oder mit erhöhten ASAT/ALAT-Werten.
Bei den identifizierten Risikopatienten gilt es, das Leberproblem genauer zu charakterisieren. Alkoholanamnese und, wenn noch nicht geschehen, ein ASAT-/ALAT-Status sind Pflicht. Bei erhöhten Transaminasen empfehlen die US-Amerikaner ein Screening auf andere Lebererkrankungen und hier insbesondere Virushepatitiden.
Im Hinblick auf die klinische Relevanz einer NAFLD ist die Frage, ob eine Fibrose vorliegt oder nicht, ganz entscheidend. Danach sollte deswegen gezielt gefahndet werden. Für das Scoring einer Fibrose bei NAFLD gibt es verschiedene Möglichkeiten. Recht weit verbreitet – und auch in der abgelaufenen deutschen Leitlinie an vorderster Stelle genannt – ist der NAFLD-Fibrosis-Score (NFS), der Alter, BMI, Glukose, Thrombozyten, Albumin und ASAT/ALAT berücksichtigt. Die Amerikaner empfehlen eher den in Deutschland auch nicht unbekannten, etwas schlankeren FIB-4 Score, in den nur ASAT/ALAT, Alter und Thrombozyten eingehen.
Der schnell ermittelte FIB-4 Score sollte in der Primärversorgung nach Auffassung der AGA die Weiche sein, von der abhängig gemacht wird, ob der Patient weiter beim Generalisten bleibt oder ob er, zumindest im Sinne einer Mitbetreuung, dem Hepatologen vorgestellt wird. Wer einen FIB-4-Score mit niedrigem Risiko aufweist, definiert als < 1,3 Punkte, der bleibt in der primärversorgenden Praxis und wird weiter kontrolliert sowie hinsichtlich Lebensstil beraten.
Wer einen FIB-4- Score mit hohem Risiko hat, definiert als > 2,67 Punkte, der nimmt die nächste Ausfahrt zum Hepatologen. Etwas komplizierter wird es für die intermediären Patienten, die sich mit ihrem FIB-4 Score zwischen diesen beiden Werten bewegen. Hier empfiehlt der Clinical Care Pathway der AGA eine Messung der Lebersteifigkeit. Dabei gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Simpel und in vielen MVZs und allgemeininternistischen Praxen zunehmend verfügbar ist die transiente Elastographie mit Hilfe von Tools wie FibroScan.
Die transiente Elastographie ist für die US-Amerikaner gewissermaßen noch einmal eine nachgelagerte Hepatologenweiche. Patienten mit intermediärem FIB-4, die in der Elastographie bei < 8 kPa liegen, bleiben in der Primärversorgung. Wer über 12 kPa liegt, wandert zum Hepatologen. Dazwischen gibt es eine Grauzone, abhängig von der Erfahrung der jeweils primärversorgenden Praxis mit metabolischen Erkrankungen und Leberbeteiligung.
Nachdem bei den NAFLD-Patienten auf diese Weise die Zuständigkeiten verteilt wurden, stellt sich natürlich die Frage, was ihnen empfohlen werden kann, insbesondere jenen, die in frühen Stadien sind und in der Primärversorgung bleiben. Auch hierzu gibt der Clinical Care Pathway zumindest Empfehlungen. Körperliche Betätigung ist ohnehin klar. Was die Ernährung angeht, wird eine mediterrane Diät sowie ein Verzicht auf übermäßigen Alkoholkonsum empfohlen. Außerdem bekommt die Gewichtsreduktion bei adipösen NAFLD-Patienten ein klares Ja.
Eine NAFLD-spezifische Pharmakotherapie wird bei einem FIB-4 < 1,3 oder einer Lebersteifigkeit < 8 kPa dagegen nicht empfohlen. Inwieweit neuere Diabetesmedikamente auch die NAFLD günstig beeinflussen, ist Gegenstand von Studien. Aus dem nicht zugelassen Spektrum bzw. bei Patienten ohne Diabetes empfehlen die Amerikaner, im intermediären Score-Bereich zumindest darüber nachzudenken, ob Vitamin E, Glitazone und/oder GLP-1-Rezeptor-Agonisten eine Option sein könnten. Bei den GLP-1 RA sei Semaglutid derjenige mit der stärksten Evidenz für einen histologischen Lebernutzen. Darüber hinaus gelten natürlich bei NAFLD-Patienten die generellen Empfehlungen für die kardiovaskuläre Primär- bzw. Sekundärprävention.
Bildquelle: The BlackRabbit, unsplash