Eine Schwangerschaft birgt viele Risiken, manche davon können zum Tode führen. Ein Großteil dieser schwangerschaftsbezogenen Todesfälle ist einer neuen Studie zufolge jedoch vermeidbar. Außerdem hängt das Risiko stark von der Ethnie, dem Alter der Mutter und dem BMI ab.
Zu den häufigsten Todesursachen im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft zählen der amerikanischen Kohortenstudie [Paywall] zufolge Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Präeklampsie oder Eklampsie, Hämorrhagien, venöse Thromboembolien (VTE) und Fruchtwasserembolien. Dabei unterschieden sich die einzelnen Todesursachen deutlich darin, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Tod hätte verhindert werden können: Am ehesten galt dies für Todesfälle durch Hämorrhagien und Präeklampsie – der tödliche Ausgang hätte in diesen Fällen mit 70 bzw. 60%iger Wahrscheinlichkeit vermieden werden können. Insgesamt habe nach der Einschätzung der Experten bei 41 % der Todesfälle eine gute bis sehr gute Wahrscheinlichkeit bestanden, den Tod abzuwenden. Die Forscher um Dr. Elliott Main stellten außerdem fest, dass die Todesursachen sich hinsichtlich bestimmter Faktoren wie Ethnie, Alter und BMI deutlich unterschieden. Beispiel Alter: Zwei Drittel der Präeklampsie-Toten und etwa drei Viertel der Frauen, die an Hämorrhagie und Fruchtwasserembolie verstarben, waren 30 Jahre alt oder älter. Bei den verstorbenen „Nicht-Müttern“ aus demselben Geburtsjahrgang betrug dagegen der Anteil der über 30-Jährigen lediglich 41 %. Die Altersverteilung von Frauen, die an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder venöser Thromboembolie verstarben, unterschied sich dagegen nicht von derjenigen der Kontrollgruppe.
Bei der Suche nach den Ursachen stellten die Forscher fest, dass es bei den tödlich verlaufenden Komplikationen auffällige Gemeinsamkeiten gab. Beispielsweise suchten die Patienten oft nur mit Verzögerung medizinische Hilfe auf. Außerdem vermuteten die Forscher, dass Patienten und Angehörige aufgrund von Wissensdefiziten oft die Schwere bestimmter Symptome oder Zustände nicht richtig einschätzen konnten. Im Zusammenhang mit Hämorrhagien fiel auf, dass der Tod hier besonders häufig mit einrichtungsbezogenen Faktoren assoziiert war. Dazu gehörten unter anderem Wissenslücken der Belegschaft und systematische Probleme wie ein Mangel an Protokollen für massive Bluttransfusionen sowie Verzögerungen bei der Verabreichung der Blutprodukte. Anlass der Studie war die seit einigen Jahren wieder steigende Müttersterblichkeitsrate in den USA. Die Autoren der Studie betonen, dass gemeinsame Anstrengungen nötig seien, um diesen Trend wieder umzukehren. „Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit zielgerichteter Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung, beispielsweise krankenhausbasierte Sicherheitspakete zur Prävention von Hämorrhagie, Präeklampsie und venöser Thromboembolie sowie umfangreiche Programme zur Patientenaufklärung, Kommunikation und Weiterentwicklung der Teamarbeit“, so die Autoren der Studie. Für ihre Studie identifizierten die Forscher mittels verknüpfter Geburts- und Sterbeurkunden aus den Jahren 2002 bis 2005 diejenigen Sterbefälle in Kalifornien, die im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft eintraten. Aufgrund von Behandlungsunterlagen, Obduktionsbefunden und gerichtsmedizinischen Gutachten wurden Rückschlüsse auf folgende Parameter gezogen: Todesursache, klinische und demographische Merkmale, Wahrscheinlichkeit, mit welcher der Tod hätte verhindert werden können, diverse Einflussfaktoren (unterteilt nach Gesundheitsdienstleister, Gesundheitseinrichtung und Patient) sowie Verbesserungsmöglichkeiten. Insgesamt lagen der Analyse 207 schwangerschaftsbezogene Sterbefälle zugrunde.
Während in den westlichen Industrienationen die Müttersterblichkeit zwar deutlich geringer ausfällt als in den USA, ist das Thema doch auch aus deutscher Sicht eine nähere Betrachtung wert. Hierzulande stagnieren sowohl die Müttersterblichkeitsrate als auch das Lebenszeitrisiko für Müttersterblichkeit, während unsere europäischen Nachbarstaaten sich in diesen Punkten in den letzten Jahren weiter verbessern konnten. Spitzenreiter im Jahr 2013 waren Polen und Österreich mit einem Lebenszeitrisiko für Müttersterblichkeit von 1:19.800 bzw. 1:19.200. In Deutschland liegt dagegen die Wahrscheinlichkeit, dass ein 15-jähriges Mädchen im Verlauf ihres Lebens aufgrund einer Mutterschaft verstirbt, bei 1:11.000. Pro 100.000 Lebendgeburten sterben hierzulande sieben Frauen in Folge einer Schwangerschaft, in Polen sind es lediglich drei. Beim Vergleich dieser Zahlen ist es allerdings zu beachten, dass länderspezifische Registrierungsverfahren und ICD-Signierkriterien einen starken Einfluss haben. Trotzdem: Wenn sich der Trend fortsetzt, droht Deutschland im internationalen Vergleich den Anschluss zu verlieren (siehe Abbildung). Daten aus der UN World Bank Data on Lifetime Risk of Maternal Death Zu den häufigsten Todesursachen bei Müttern in Deutschland gibt es zwar keine aktuellen Untersuchungen, es existieren Daten jedoch für Bayern, Österreich und die Schweiz. Im Zeitraum von 2001 bis 2008 standen in Bayern Krankheiten des Kreislaufsystems, Thromboembolien (inkl. Fruchtwasserembolie), Hämorrhagien und hypertensive Erkrankungen ganz oben auf der Liste der Ursachen von Müttersterblichkeit. Eine sehr ähnliche Zusammensetzung findet sich auch für Österreich und die Schweiz, allerdings scheinen hier Genital- und Urosepsis eine stärkere Rolle zu spielen. Deutlich neuere Untersuchungen (2009-2012) aus Großbritannien deuten darauf hin, dass die Bedeutung ganz anderer Todesursachen stark zugenommen hat: Zwei Drittel der Müttersterbefälle sind dort auf indirekte Ursachen medizinischer und psychiatrischer Art zurückzuführen, beispielsweise Herzerkrankungen, Epilepsie, Influenza und Suizid.
Eine besondere Bedeutung haben standardisierte Protokolle für bestimmte Notfallsituationen. Diese können dabei helfen, die Gesundheitsversorgung von Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen zu verbessern. „Selbst wenn vom Verstand her jeder weiß, wie mit einer postpartum Hämorrhagie umgegangen werden muss: Bei einem schweren Fall bekommen Leute oft lebenswichtige Elemente nicht mit, beispielsweise ob die Infusion ordentlich läuft“, erklärt Dr. James Byrne, Vorsitzender der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe am US-amerikanischen Santa Clara Valley Medical Center. Eine klare Rollenverteilung, standardisierte Protokolle und übersichtliche Checklisten, die regelmäßig leitliniengerecht aktualisiert werden, sind zwar hilfreich. Mindestens ebenso wichtig ist es, die Anwendung dieser Maßnahmen gründlich einzuüben. Regelmäßig anberaumte Vorträge, Diskussionen und Probeläufe, bei denen Notfälle realistisch simuliert werden, legen den Grundstein für eine gute Versorgung im Ernstfall. Originalpublikation: Pregnancy-Related Mortality in California: Causes, Characteristics, and Improvement Opportunities [Paywall] Main, Elliott K. et al.; Obstetrics & Gynecology, doi: 10.1097/AOG.0000000000000746; 2015