Ein Medikament aus der Krebstherapie könnte die Thrombenbildung verhindern, die nach einer AstraZeneca-Impfung in seltenen Fällen zur VITT führt. Die Lösung für ein globales Problem?
Bestimmte Medikamente aus der Krebstherapie, die BTK-Inhibitoren, können die krankhafte Aktivierung von Blutplättchen mit einhergehender Bildung von Gerinnseln normalisieren, die in seltenen Fällen nach einer Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff gegen COVID-19 auftritt. Das berichten Mediziner des LMU Klinikums München um Prof. Christian Weber jetzt im New England Journal of Medicine.
In Deutschland sind bisher weit über zwölfeinhalb Millionen Dosen des AstraZeneca-Impfstoffs Vaxzevria® verabreicht worden, EU-weit über 67 Millionen Dosen. Die viel beachtete schwere Nebenwirkung namens VITT (Vaccine-induced immune thrombotic thrombocytopenia) tritt bei etwa einer bis anderthalb von 100.000 Impfungen auf, „ist also eine seltene, aber bedrohliche Nebenwirkung mit hoher Sterblichkeit“, wie Weber sagt.
Darüber hinaus wurden und werden viele weitere Dosen des AstraZeneca-Impfstoffs weltweit an bedürftige Länder gespendet, womit es sich bei VITT um ein globales Problem handelt. Weber spricht von einem „dringend benötigten Therapieansatz für diese besorgniserregende Impfkomplikation“.
In einem Labormodell hatten die Mediziner Blutserum von VITT-Patienten zur Verfügung. Als sie das Serum zu Blut von gesunden Probanden gaben, beobachteten sie die Aktivierung der Blutplättchen und die anschließende Bildung von Gerinnseln.
Hatten sie den Blutproben der Probanden allerdings einen BTK-Inhibitor beigemischt, „blieb die Bildung der Gerinnsel aus“, sagt Dr. Philipp von Hundelshausen, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Das Medikament blockiert ein Enzym, das für die Gerinnselbildung unbedingt notwendig ist.
Ein BTK-Blocker ist bereits für die Krebstherapie zugelassen, andere werden derzeit in klinischen Studien erprobt. Um die Medikamente auch gegen VITT einzusetzen, „müssten sie ebenfalls in klinischen Studien getestet werden“, erklärt Weber.
Die BTK-Inhibitoren könnten auch gegen zwei andere Erkrankungen helfen, die durch die gleichen Mechanismen entstehen wie VITT. Zum einen leiden manche Menschen an einer Autoimmunerkrankung, die bei der therapeutischen Gabe von Heparin plötzlich zur Gerinnselbildung führt. Und in seltenen Fällen kommt es bei einigen Fällen selbst ohne Heparin-Gabe zu diesen Gerinnseln.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung des Klinikums der Universität München. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Scott Webb, Unsplash