Ein Forschungsteam hat Pferdeknochen aus ganz Eurasien zusammengetragen und analysiert. Dadurch konnte ein jahrzehntealtes Rätsel gelöst werden.
Von wem und wo wurden die modernen Pferde zuerst domestiziert? Wann haben sie den Rest der Welt erobert? Und wie verdrängten sie die unzähligen anderen Pferdearten, die es damals gab? Mit diesen Fragen beschäftigten sich internationale Wissenschaftler in einer aktuellen Studie.
Ein Forschungsteam um Paläogenetiker Prof. Ludovic Orlando lieferte bereits mit Proben aus der Fundstätte der Botai-Kultur in Zentralasien den ältesten archäologischen Nachweis für domestizierte Pferde. Dennoch ergab eine DNA-Analyse, dass diese Pferde als Vorfahren der heutigen Hauspferde ausgeschlossen werden können.
Um die Herkunft klären zu können, analysierte das Team die Genome von 273 Pferden, die von 50.000 bis 200 v. Chr. lebten und verglichen sie mit den Genomen heutiger Pferde. Auch Proben von Pferdeknochen aus Oberfranken wurden dazu verwendet– ein Team der Universität Bamberg hatte diese bereits im Jahr 2008 ausgegraben. Diese liefern eine wichtige Erkenntnis: „Bisher ging man davon aus, dass Pferde bereits im frühen dritten vorchristlichen Jahrtausend bei der Expansion von Menschen aus den eurasischen Steppenregionen in zahlreiche Regionen Europas eine entscheidende Rolle bei der Mobilität spielten. Das ist nun klar widerlegt. Ob wir für diese große, sich über mehrere Jahrhunderte und einige Zwischenetappen erstreckende Migrationswelle nun eher Rindergespanne als Mobilitätsfaktor ins Auge fassen können, müssen spätere Studien zeigen“, erläutert Dr. Timo Seregély von der Uni Bamberg.
Die DNA-Analysen zeigten nicht nur, dass Pferde zuerst in der pontisch-kaspischen Steppe im Nordkaukasus domestiziert wurden, bevor sie innerhalb weniger Jahrhunderte den Rest Eurasiens eroberten. Sie demonstrierten auch, dass die Vorfahren der heutigen Hauspferde aus einer späteren Zeit stammen als bisher angenommen: In Eurasien, das einst von genetisch unterschiedlichen Pferdepopulationen bevölkert war, kam es zwischen 2200 und 2000 v. Chr. zu einer dramatischen Veränderung.
„Die Pferde, die in Anatolien, Europa, Zentralasien und Sibirien lebten, waren genetisch sehr unterschiedlich“, sagt Dr. Pablo Librado, Erstautor der Studie. Dann verbreitete sich ein einziges genetisches Profil, das es zuvor nur in der pontischen Steppe im Nordkaukasus gab. Es verdrängte innerhalb weniger Jahrhunderte alle Wildpferdepopulationen vom Atlantik bis zur Mongolei. „Die genetischen Daten deuten auch auf eine explosionsartige Vermehrung der Pferde hin, die in den letzten 100.000 Jahren ihresgleichen sucht“, fügt Orlando hinzu. „Damals übernahmen Menschen die Kontrolle über die Fortpflanzung dieser Tierart und produzierten Pferde in beträchtlicher Anzahl“. Die Ausbreitung dieser Pferde ereignete sich zumindest in Asien gleichzeitig wie jene von Streitwägen mit Speichenrädern und indoiranischen Sprachen.
Doch wie lässt sich diese überwältigende Beliebtheit erklären? Die Forschenden fanden zwei auffällige Unterschiede zwischen dem Genom dieses Pferdes und dem Genom der Populationen, die es ersetzte: zum einen fügsameres Verhalten, zum anderen ein stärkeres Rückgrat. Das Forschungsteam vermutet, dass diese Merkmale den Erfolg der Tiere zu einer Zeit sicherten, als das Reisen mit Pferden weltweit zunahm.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Raphael Wicker, unsplash.