Seltene angeborene Krankheiten können die Entstehung von Krebs bei Kindern begünstigen. Durch Auswertung von Daten aus 50 Jahren konnte eine Studie nun das Krebsrisiko bei Fanconi-Anämie und Louis-Bar-Syndrom präzise bestimmen.
Die Fanconi-Anämie (FA) und die Ataxia Teleangiectatica (AT) zählen zu den Krebsprädispositionssyndromen. Dabei handelt es sich um angeborene Erkrankungen, die die Entstehung von Krebs begünstigen. Verursacht werden die FA und die AT durch genetische Veränderungen und daraus resultierende fehlerhafte Vorgänge bei der DNA-Reparatur.
Kennzeichnend für die FA ist ein erhöhtes Risiko für Knochenmarksversagen und die Entwicklung von Leukämien und Tumoren. AT äußert sich im frühen Kindesalter durch neurologische Symptome mit zunehmendem Verlust der Muskelkontrolle und Gleichgewichtsstörungen, aber auch durch eine Immunschwäche und ein erhöhtes Leukämie- und Lymphomrisiko.
Ein Forscher-Team führte nun eine bundesweite registergestützte Kohortenstudie durch, um das Krebsrisiko bei Kindern mit FA und AT präzise zu bestimmen. Das Team beobachtete ein drastisch erhöhtes Risiko für Krebs bei den betroffenen Kindern im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Die Forschungsergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Journal of Clinical Oncology veröffentlicht.
„Basierend auf unseren Ergebnissen beträgt das Risiko vor dem 18. Lebensjahr an Krebs zu erkranken bei Kindern mit FA 11 Prozent und bei Kindern mit AT 14 Prozent. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung entspricht dies einem 39- beziehungsweise einem 56-fach erhöhten Risiko“, erklärt Christina Dutzmann, Ärztin der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie der MHH. Nie zuvor wurde das Krebsrisiko dieser Krebsprädispositionssyndrome in einer bevölkerungsbezogenen Kohorte bewertet.
„Die Studienergebnisse liefern damit einen robusten und umfassenden Datensatz für die Beratung und Betreuung von Familien mit FA und AT“, so Prof. Christian Peter Kratz, Direktor der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Leiter des Zentrums für seltene Erkrankungen und Leiter des Bereichs Prävention/Prädisposition im Comprehensive Cancer Center (CCC) Hannover der MHH.
Insgesamt wurden die Daten von 581 Betroffenen analysiert, die zwischen den Jahren 1973 und 2020 durch Referenzlabore für DNA-Reparaturstörungen in Würzburg (FA und AT) und Hannover (AT) diagnostiziert wurden. Die Forscher identifizierten 421 Patienten mit FA und 160 mit AT. Mit Hilfe eines Verschlüsselungsalgorithmus zur Pseudonymisierung der Daten war ein Abgleich mit dem Kinderkrebsregister in Mainz möglich. In diesem werden seit 1980 nahezu alle Krebsfälle im Kindesalter in Deutschland gemeldet.
Unter den 421 Betroffenen mit FA erkrankten im Kindesalter 33 an Krebs, insbesondere an myeloischen Neoplasien. Unter 160 Betroffenen mit AT erkrankten im Kinderalter 19 Personen an Krebs, zumeist an Non-Hodgkin- und Hodgkin-Lymphomen sowie Leukämien.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Piron Guillaume, unsplash.