Der menschliche Geburtskanal erschwert durch seine verdrehte Form viele Geburten. Doch wofür das Ganze? Eine Studie hat nun den evolutiven Hintergrund untersucht.
Die meisten Frauen besitzen einen Geburtskanal, bei dem der Beckeneingang rund oder queroval ist. Diese Gestalt vereinfacht vermutlich den Geburtsvorgang. Unklar ist jedoch, warum der untere Teil längsoval ist: Seine verdrehte Form sorgt dafür, dass das Baby bei der Geburt eine Schraubbewegung ausführen muss, um den Kanal passieren zu können. Dies erhöht das Risiko für Geburtskomplikationen.
Ein internationales Forscherteam wollte daher wissen, weshalb sich diese ungewöhnliche Form entwickelt hat, die Geburten erschwert. Das Team aus Evolutionsbiologen und Ingenieuren stellte die Hypothese auf, dass die Stützfunktion der Beckenbodenmuskulatur die Evolution des Geburtskanals beeinflusst haben könnte. Diese Muskeln sind über dem unteren Becken aufgehängt und spielen eine Rolle für die Sexualfunktion und die Kontinenz. Um ihre Hypothese zu testen, führten die Wissenschaftler umfangreiche biomechanische Modellierungen des Beckenbodens durch. Dabei stellten sie fest, dass die höchsten Verformungen und Belastungen bei Beckenböden mit kreisförmiger oder querovaler Gestalt auftreten – eine längsovale Ausdehnung hingegen erhöht die Stabilität des Beckenbodens. Doch wieso ist dann nicht auch der Beckeneingang beim Menschen längsoval?
Studienautor Philipp Mitteroecker nahm dazu die bisherige Annahme, dass die Breite des menschlichen Beckens die Effizienz des aufrechten Gangs beschränke, als Ausgangspunkt: „Wir denken [...], dass der querovale Beckeneingang vielmehr eine Konsequenz der Begrenzung des Beckendurchmessers von vorne nach hinten im Becken ist. Er ist vermutlich durch unsere aufrechte Haltung und nicht durch die Effizienz der zweibeinigen Fortbewegung beschränkt", so Mitteroecker. Ein tiefes Becken würde ein stärkeres Kippen und eine ausgeprägte Krümmung im Lendenbereich erfordern – was die Gesundheit der Wirbelsäule und die Stabilität der aufrechten Haltung beeinträchtigen würde.
Der enge menschliche Geburtskanal ist also im Lauf der Evolution vermutlich als Kompromisslösung entstanden um unterschiedlichen Anforderungen zu genügen: der Geburt, der Unterstützung der inneren Organe und dem aufrechten Gang.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Wien. Hier gelangt ihr zur Originalpublikation.
Bildquelle: Oksana Taran, unsplash.