Gesichtslähmungen, Hörverlust und Krankenhausaufenthalte sind nach der stereotaktischen Radiochirurgie von Vestibularisschwannomen seltener als nach einer OP. So lautet das Fazit einer Nutzenbewertung des IQWiG.
Die stereotaktische Radiochirurgie bei gutartigen Tumoren am Gleichgewichtsnerv (Vestibularisschwannomen oder Akustikusneurinom) bietet den betroffenen Patienten mehr Vorteile als die mikrochirurgische Resektion. Nach einer gezielten Bestrahlung, einmalig und hoch dosiert, kommt es seltener zu Gesichtslähmungen, Hörverlust und Krankenhausaufenthalten als nach einer Operation. Allerdings ist wegen der kurzen Laufzeit der verfügbaren Studien unklar, ob und inwieweit diese Vorteile, insbesondere hinsichtlich Hörverlust Bestand haben. Überdies fehlt es an Daten zu schwerwiegenden Komplikationen.
Aus der Nutzen-Schaden-Abwägung der vorliegenden Studienergebnisse ergibt sich insgesamt ein Anhaltspunkt für einen höheren Nutzen der stereotaktischen Radiochirurgie (SRS) bei Patienten mit behandlungsbedürftigen Vestibularisschwannomen im Vergleich zur mikrochirurgischen Resektion. So lautet das Fazit der Nutzenbewertung, die das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) durchgeführt und jetzt abgeschlossen hat.
Vestibularisschwannome sind gutartige, meist langsam wachsende Tumore, die vom Gleichgewichtsnerv (Nervus vestibularis) ausgehen und oft ab einem Alter von etwa 50 Jahren einseitig auftreten. Die Folge sind häufig Hörverlust, Tinnitus, Schwindelgefühle und Gesichtslähmungen. Für die Therapieentscheidung spielen vor allem Größe, Lage und Wachstum des Tumors eine Rolle, sowie die Krankengeschichte und die Patientenpräferenz.
Insbesondere bei kleinen, nicht wachsenden Tumoren, die noch keine Symptome hervorrufen, ist beobachtendes Abwarten möglich, erfordert aber eine regelmäßige Magnetresonanztomografie etwa alle zwölf Monate. Bei deutlichen Beschwerden und/oder größeren Tumoren wird meist operiert. Eine Bestrahlung kommt infrage bei älteren Patienten mit behandlungsbedürftigem Vestibularisschwannom und bei erhöhtem Operationsrisiko. Das Tumorgewebe im Kopf wird bei der einzeitigen stereotaktischen Radiochirurgie einmalig hoch dosiert und präzise mithilfe von Linearbeschleunigern oder Kobalt-60-Gamma-Strahlungsquellen bestrahlt. Weil sich die SRS grundsätzlich ambulant durchführen lässt, entfallen Krankenhausaufenthalte zumeist.
Ergebnisse aus insgesamt drei nicht randomisierten prospektiven vergleichenden Studien mit einer Nachbeobachtungszeit von etwa zwei Jahren lieferten Ergebnisse zu patientenrelevanten Therapiezielen. Schwerwiegende Komplikationen wurden in diesen Studien aber nicht erfasst. Für Therapieziele wie Mortalität, Symptome wie Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, Tinnitus, Gleichgewichtsstörungen oder Krankheitsfolgen (z. B. Arbeitsunfähigkeit) sowie Nebenwirkungen, etwa Komplikationen der Therapie und Reinterventionen sowie gesundheitsbezogene Lebensqualität zeigten sich keine Vorteile der SRS im Vergleich zu mikrochirurgischen Resektion.
Allerdings war die Chance, eine Gesichtslähmung zu erleiden, bei einer Behandlung mit SRS etwa 17-mal geringer als bei einer mikrochirurgischen Resektion. Ebenfalls große Effekte zeigten sich für den Endpunkt Hörvermögen: Die Chance, dass funktionelle Hörvermögen zu erhalten, war bei einer Behandlung mit SRS etwa 23-mal höher als bei einer mikrochirurgischen Resektion. Die mittlere Krankenhausverweildauer bei einer SRS betrug in den Studien 2,5 Tage bzw. erfolgte ambulant, also ohne Klinikaufenthalt. Im Vergleich dazu ist mit einer mikrochirurgischen Resektion stets ein Klinikaufenthalt verbunden, die in den Studien 12,5 Tage bzw. 5,1 Tage.
Zusammenfassend steht den deutlichen Vorteilen der SRS im Vergleich zur mikrochirurgischen Resektion – jeweils Anhaltspunkte für höheren Nutzen wegen seltenerer Gesichtslähmungen, selteneren Hörverlusten und weniger Krankenhausaufenthalten – kein Anhaltspunkt für einen höheren Schaden gegenüber.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.
Bildquelle: Afif Kusuma, Unsplash