Auf dem Deutschen Ärztetag (DÄT) diskutierten mit dem Moderator Jürgen Zurheide NRW-Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann, die brandenburgische Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher, Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) und Bundesärztekammer (BÄK)-Präsident Dr. Klaus Reinhardt. Dabei beklagten sich die Ländervertreter über den angeblich weiterhin lückenhaft-fehlenden Ausbau der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit im Gesundheitswesen.
Im Land Brandenburg liefe dazu als Paradebeispiel "die Strukturmigration im Mittelbereich Templin, die schon sehr weit fortgeschritten ist", so die brandenburgische Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne): Teils würden Vorhaben über den Innovationsfonds, teils über den Krankenhausstrukturfonds gefördert. "Nun ist es dringend erforderlich – und das erwarte ich natürlich auch von den gleichzeitig stattfindenden Koalitionsverhandlungen –, dass wir diese Projekte auch in die Regelversorgung überführen und sie eine Abrechnungsnummer kriegen"..."Regionalbudgets für sektorenübergreifende Versorgung", so die parteipolitische Forderung.
NRW Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann will mehr Tempo bei der Überführung von Projekten aus dem Innovationsfonds in die regelhafte Patientenversorgung. In NRW seien angeblich ambulante und stationäre Strukturen in Bewegung gekommen, z. B. in dem Krankenhäuser und Bereitschaftsdienste an Mittwochnachmittagen und an Wochenenden enger kooperierten.
Die Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) sagte, ihr Bundesland Bremen habe sich "auf die Socken" gemacht, ambulante und stationäre Leistungen in Gesundheitszentren angeblich stärker zu mischen: "Das geht über ein reines Ärztehaus hinaus." Sektoren zusammenzubringen sei eine "Riesenherausforderung".
BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt memorierte, dass in Deutschland schon vor 25 Jahren über Verzahnung von ambulant und stationär geredet worden sei. Er forderte mehr Anreize, entsprechende "Konstrukte" stärker zu fördern.
Länder wollen Krankenhausplanung
"Fachleute" von SPD, Grünen und FDP beraten in 22 Arbeitsgruppen über Inhalte des künftigen Koalitionsvertrages für ein „Ampel-Bündnis“. Zwingend sei der Umbau der Krankenhauslandschaft, so BÄK-Chef Reinhardt. Bedarfsgerechte Reform von Vergütung und Planung könne die neue Bundesregierung nicht allein stemmen. Ein runder Tisch aller Beteiligten sei zur großen Reform nötig. Danach solle 10 Jahre Ruhe zur Entfaltung der Reform sein.
Zum Anspruch der Länder, Strukturfragen wie Krankenhausplanung oder Ärzteniederlassungen zu regeln rief NRW-Gesundheitsminister Laumann das Landesgremium nach Paragraf 90a im 5. Sozialgesetzbuch in Erinnerung – die Runde von KV-Vertretern, Krankenhäusern, Krankenkassen und Landesregierung.
Kritik am Gemeinsamen Bundesausschuss
NRW führe die Krankenhausplanung derzeit "weg vom Bett" hin zu stärkerer Orientierung an Bedarf und Qualität. Dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) über seine Qualitätsvorgaben zunehmend bestimme, wie sich die Strukturen entwickelten, mache den CDU-Politiker skeptisch, sekundiert von Grünen-Politikerin Nonnemacher: Die Auflagen des GBA nähmen den Akteuren vor Ort die Luft zum Atmen. "Versorgung muss auch in der Fläche stattfinden können." Gefahr für die flächendeckende Versorgung mache für sie auch der sich zuspitzende Personalmangel in Medizin und Krankenpflege aus, den sie "mit größter Sorge" beobachte. Personelle Ressourcen müssten so optimal wie möglich genutzt werden.
Personalmangel
In NRW kämen bis zu zwölf Bewerber auf einen Humanmedizin-Studienplatz. "Wenn wir mehr Studienplätze hätten, dann hätten wir auch mehr Ärzte." Ohne Anwerbung von Ärzten und Pflegekräften aus dem Ausland ginge nichts mehr. Nonnemacher mahnte, außer Akquise junger Pflegekräfte und Mediziner sei die „Frage der Verteilung ebenso wichtig“. Es bringe nichts, Nachwuchs zu gewinnen, der sich dann bevorzugt in den Städten oder lukrativen Ecken niederließe.
Vielstimmige Kakophonie
Das sind derart vielerlei Botschaften direkt vom Deutschen Ärztetag (DÄT) an die „Ampel“-Verhandler, dass man mit Fug und Recht von einer Kakophonie der Stimmen sprechen kann. Wie kommt aber ausgerechnet der DÄT darauf, sich zu einer Art Sprachrohr bzw. Klagemauer einer verfehlt-chaotisch-föderalistisch-dilettantisch-EDV-dominierten Länder- und Bundes-"Gesundheits"-Politik machen zu lassen, die ja eigentlich eher Krankheits-Bewältigungs- und Versorgungs-Politik denn Gesundheitspolitik ist?
Was nützt uns ÄrztInnen und Ärzten, Pflege-, MFA-, EDV-, Logistik- und Strukturpersonal, wenn als Paradebeispiel "die Strukturmigration im Mittelbereich Templin" vorgeführt wird, die lediglich belegt, dass das, was wir täglich professionell interaktiv-, kommunikativ und situativ mit unseren Patientinnen und Patienten erarbeiten und institutionell vernetzen, zielführend und richtig ist.
Bi-direktionale 7/24 Standleitungen?
Die meist medizin- und versorgungsferne Politik möchte wohl am liebsten bi-direktionale 7t/24h Standleitungen zwischen den zahlreichen Akteuren/innen ihres "Gesundheits"-Wesens etablieren, mit nahezu perfekter Berichts- und Dokumentationspflicht zu den Aufsichtsbehörden nach Oben? Damit sich nicht nur Patientinnen und Patienten, sondern auch das gesamte "Gesundheits"-Personal noch mehr wie abgezählte Nummern im gesamtwirtschaftlichen Gesundheits-Getriebe vorkommen? Und nicht mehr wie Professionalität und Leitlinien bzw. individuellen Rat, Hilfe, Empathie, Trost, Schutz, Unterstützung, Zuwendung, Untersuchung, Diagnostik, Therapie, (interventionelle) Hilfe, Versorgung, Sicherheit und ggf. Palliation Suchende.
Fazit
M. E. sollte sich der Deutsche Ärztetag nicht mehr so missbrauchen lassen und eigenständigere, selbstbestimmtere und selbstbewusstere Forderungen an Politik und Gesellschaft stellen. Oder was meint die DocCheck Community?