Ich bin geschockt – in der hausärztlichen Praxis vor Ort hat noch keiner vom E-Rezept gehört. Zumindest geht das aus einem denkwürdigen Telefonat hervor, das ich gerade mit einer MFA geführt habe.
Neulich telefonierte ich mit einer unserer Hausarztpraxen vor Ort mit einer MFA, die mich an der Kommunikation innerhalb der Arztpraxen (ver)zweifeln ließ.
Sie bestellte für einen Patienten ein Medikament bei uns vor, das Rezept sollte in der Mittagspause eingeworfen werden, wenn der Herr Doktor vom Hausbesuch zurück ist. So weit, so gut. Ich sagte, so halb im Scherz: „Na klar – machen wir, so lange wir das noch können.“ Sie war irritiert. „Was meinen Sie denn damit? Ab wann können Sie das denn nicht mehr?“ „Naja – wenn das E-Rezept kommt, müssen wir uns ein anderes Procedere dafür einfallen lassen, wenn der Herr Doktor mal außer Haus ist.“
Sie lachte erleichtert. „Ach sooo. Das E-Rezept! Naja, das dauert ja noch, nicht wahr? Wer weiß schon, wann das kommt und ob überhaupt, ne?“
Ich, nun ebenfalls irririert: „In etwa 5 Wochen wird es eingeführt, wir haben dann eine Übergangszeit im Dezember und ab Januar ist es verpflichtend. Dann gibt es keine Papierrezepte mehr.“
Sie: „Äh, ne. Das geht nicht. Wir können das ja schon rein technisch gar nicht bei uns machen. Sind sie da sicher? Uns hat keiner was erzählt, das höre ich zum ersten Mal.“
Ganz ehrlich? Mir graust es vor Januar. Was ist das denn für eine Gesprächskultur in der Praxis? Über was reden die eigentlich bei ihren Teamsitzungen, wenn mal wieder Freitags früher zugemacht wird? Und selbst wenn sie da nicht drüber reden: Ist das Thema denn nicht häufig genug in der Presse gewesen? Wenigstens in der Fachpresse? Wie groß kann denn das eigene Interesse am erlernten Beruf sein, wenn man das nicht mitbekommen hat? Ich war sprach- und fassungslos.
Wer hat noch große Lust, im Januar den Jahresurlaub zu nehmen, damit er das ganze Unheil nicht miterleben muss? Ach, Mensch. Ich gebe es ehrlich zu: Ich hätte es nicht gebraucht, das E-Rezept. Es ist jetzt erstmal alles komplizierter als zuvor und wer weiß wie viele Kunden uns dadurch verloren gehen? Nicht zu Beginn, da sind die Leute noch unsicher und werden weiterhin zu uns kommen, damit wir ihnen die neue Technik genau erklären – aber sobald sie damit umgehen können … wer weiß, was sich zum Beispiel DocMorris noch so alles einfallen lässt, um uns auszubooten? Gesetze haben die sowieso noch nie interessiert und das Zuweisungsverbot wird mit Sicherheit das erste sein, was sie auf irgendeine Art umgehen werden.
Ich frage mich, wie oft ich im neuen Jahr den Satz von unserer Kundschaft hören werde: „Iiich hab das nicht gewusst mit dem E-Rezept!“ Und das, obwohl hier bereits seit Wochen Plakate hängen und Aufklärungsbroschüren herumliegen. Wenn wir wenigstens die Übergangszeit zwischen Papier und E-Rezept noch ein kleines bisschen strecken könnten… nun denn. Da müssen wir jetzt wohl durch. Ich hoffe inständig, dass die komplette Ahnungslosigkeit des Teams aus der Praxis am Ort die Ausnahme war und nicht die Regel.
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