Das Molekül ICOSL befeuert beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) die ungebremste Entzündungsreaktion. Wird in dendritischen Zellen und Makrophagen das ICOSL-codierende Gen abgeschaltet, wird das Molekül nicht mehr produziert und die Entzündung eingedämmt.
Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine Autoimmunerkrankung, die viele Organe befallen kann. Typisch sind auffallende Rötungen, die sich vom Nasenrücken über die Wangen ausbreiten. Wegen dieses Erscheinungsbildes wird die Krankheit auch „Schmetterlingsflechte“ genannt. Etwa 25 von 100.000 Menschen erkranken an SLE, wobei hauptsächlich Frauen betroffen sind. Wie nimmt der anhaltende Entzündungsprozess seinen Lauf, der die körpereigenen Zellen in den betroffenen Organen schädigt? „Die T-Zellen des Immunsystems werden im Lymphgewebe aktiviert und können sich über die Blutbahn in verschiedene Organe, wie zum Beispiel Nieren oder Lunge, ausbreiten“, sagt Dr. Lino Teichmann von der Medizinischen Klinik III des Universitätsklinikums Bonn.
Seit Langem rätseln Wissenschaftler, wie beim SLE die chronische Entzündung in Organen aufrecht erhalten wird. Teichmann hat nun mit Kollegen einen Schalter des Immunsystems entschlüsselt, der die Entzündung in den verschiedenen Organen befeuert. „Eine Schlüsselrolle spielt der Rezeptor ICOS, der sich auf der Oberfläche von T-Zellen befindet“, sagt Teichmann. Die ungebremste Entzündungsreaktion nimmt dann ihren Lauf, wenn ein Molekül auf der Oberfläche von Dendritischen Zellen und Makrophagen an den Rezeptor ICOS andockt. Dieses Molekül nennen die Forscher ICOS-Ligand (ICOSL). Das Besondere ist, dass diese schädigende Kettenreaktion in den meisten Organen stattfindet, die beim SLE von Entzündungen betroffen sind. „Trotz unterschiedlicher Auslösemechanismen der Erkrankung sind die schädigenden Mechanismen immer sehr ähnlich“, erläutert der Wissenschaftler des Universitätsklinikums Bonn. Die Forscher haben mit ICOS ein den verschiedenen SLE-Formen zugrundeliegendes Prinzip entschlüsselt.
Den Wissenschaftlern gelang die Entdeckung an Mäusen, die an einem dem SLE sehr ähnlichen Krankheitsbild litten. Sie schalteten in unterschiedlichen Immunzellen den Erbfaktor für ICOSL stumm, damit diese Zellen das an ICOS andockende Molekül nicht mehr produzierten. „Wir konnten aber nur dann die Entzündung in den betroffenen Organen eindämmen, wenn wir gezielt in dendritischen Zellen und Makrophagen das ICOSL-codierende Gen abschalteten - bei anderen Immunzellen zeigte sich kein Effekt“, berichtet Teichmann. Damit hatten die Wissenschaftler sowohl den Schalter als auch den Auslöser der Entzündungskettenreaktion entschlüsselt. Wird ICOSL in dendritischen Zellen und Makrophagen ausgeschaltet, sterben vermehrt T-Zellen in Nieren (rot eingefärbt). Blau und grün dargestellt sind verschiedene T-Zellen. © Teichmann et al./Immunity 2015 Die Forscher sind zuversichtlich, dass sich die Ergebnisse aus dem Tiermodell auch auf den Menschen übertragen lassen. Die Wissenschaftler sehen in den Resultaten einen vielversprechenden Ansatzpunkt für neuartige Therapien. „Möglicherweise lässt sich die anhaltende Entzündungsreaktion in den Organen stoppen, wenn entweder der Rezeptor ICOS oder das andockende ICOSL mit Antikörpern blockiert werden“, blickt Teichmann in die Zukunft. Das müsse sich aber erst noch in weiteren Studien erweisen. Gängige Therapieoptionen für den SLE seien häufig nicht effektiv oder mit größeren Nebenwirkungen verbunden. „Deshalb stehen neue Behandlungsverfahren in der Prioritätenliste ganz weit oben“, sagt der Wissenschaftler des Bonner Universitätsklinikums. Originalpublikation: Local Triggering of the ICOS Coreceptor by CD11c+ Myeloid Cells Drives Organ Inflammation in Lupus Lino Teichmann et al.; Immunity, doi: 10.1016/j.immuni.2015.02.015; 2015