Ein fehlender Calciumkanal in den Mitochondrien ist wohl der Auslöser für Arrhythmien und Herzinsuffizienz beim seltenen Barth-Syndrom. Was diese Erkenntnis für Herzpatienten bedeutet.
Unser Herz pumpt in der Regel pro Minute vier bis fünf Liter Blut in unseren Körper, bei hoher Belastung sogar bis zu 30 Liter pro Minute, sofern es gesund ist. Bei Jungen, die am Barth-Syndrom leiden, schlägt das Herz bei Anstrengung zwar schneller, der Auswurf kann aber nicht entsprechend gesteigert werden. Die Folge dieser verminderten Herzfunktions-Reserve bei Belastung ist Luftnot. Hinzu kommen Herzrhythmusstörungen, die auch zum plötzlichen Tod führen können.
Kardiologe Christoph Maack und Biologe Jan Dudek forschen bereits seit vielen Jahren an den Krankheitsmechanismen des Barth-Syndroms. Das Barth-Syndrom geht auf einen Defekt des Tafazzin-Gens zurück und Tafazzin produziert Cardiolipin, einen wesentlichen Bestandteil der Mitochondrienmembran. Die Forscher fanden heraus, dass die durch den Defekt des Tafazzin-Gens beeinträchtige Energiegewinnung der Herzmuskelzellen mit dem Calciumhaushalt zusammenhängen.
Durch die verminderte Calciumaufnahme in den Mitochondrien wird die Aktivierung des Citratzyklus gestört. Im Citratzyklus werden mithilfe des energieliefernden Coenzym NADH Elektronen für die Produktion des energiereichen Moleküls Adenosintriphosphat (ATP), und über NADPH Elektronen für die Entgiftung von Sauerstoffradikalen hergestellt.
Die Forscher aus dem DZHI-Department Translationale Forschung haben nun den Mechanismus erkannt, warum sich das Herz-Zeit-Volumen nicht steigern lässt und warum vermehrt Arrhythmien auftreten.
Früher ging man davon aus, dass das Fehlen von Cardiolipin vor allem der Atmungskette Probleme bereitet und Sauerstoffradikale die Zellen schädigen. Das Cardiolipin ist auch bei vielen anderen Herzkrankheiten durch oxidativen Stress geschädigt. Ein Mangel an diesem Phospholipid stört die Atmungskette, wodurch weniger Energie produziert wird. „Obwohl wir in unseren Studien auch eine moderate Störung der Atmungskette feststellen konnten, haben wir keine übermäßigen Mengen an Radikalen gemessen“, erklärt Edoardo Bertero, der Erstautor der Studie.
Das Barth-Syndrom geht auf einen Defekt des Tafazzin-Gens zurück, und Tafazzin produziert Cardiolipin, einen wesentlichen Bestandteil der Mitochondrienmembran. Quelle: Edoardo Bertero „Stattdessen haben wir beobachtet, dass der Kanal, der für den Calciumimport in die Mitochondrien verantwortlich ist, der so genannte mitochondriale Calcium-Uniporter, kurz MCU, in Mäusen mit Tafazzin-Knockdown fast vollständig verschwunden war. Dies ist wichtig für Patienten mit Barth-Syndrom, weil es erklärt, warum ihre Herzen nicht in der Lage sind, ihre Auswurfleistung bei körperlicher Anstrengung zu erhöhen; aber auch für die allgemeine Herzphysiologie, weil es eine bisher nicht gewürdigte Funktion von Cardiolipin aufdeckt, nämlich die Stabilisierung des MCU-Protein-Komplexes.“
Maack fügt hinzu: „Die Gen- und Proteinstruktur des mitochondrialen Calciumkanals ist erst seit zehn Jahren bekannt. Das Barth-Syndrom ist die erste uns bekannte Erkrankung, bei der ein relevanter Defekt des MCU in Herzzellen deren Funktion nachhaltig beeinträchtigt.“ Mit dieser Entdeckung liefern die Forscher des DZHI einen wichtigen Therapieansatz, möglicherweise nicht nur zur Behandlung des Barth-Syndroms, sondern auch bei anderen Herzerkrankungen mit erhaltener Pumpfunktion und im speziellen bei anderen genetischen Kardiomyopathien.
„Hilfreich könnte vielleicht die Gabe von SGLT2-Hemmern sein. Sie reduzieren das Natrium in der Zelle, dadurch wird weniger Calcium aus den Mitochondrien herausgeholt, die Energiespeicher bleiben länger voll, sodass das Herz bei erhöhter Belastung besser mithalten kann“, spekuliert Maack. Dies müsse aber erst noch untersucht werden. Weniger empfehlenswert seien Wirkstoffe, die die Pumpkraft des Herzens steigern, indem sie das Natrium erhöhen, wie zum Beispiel das seit Jahrzehnten verwandte Digitalis.
In der Vergangenheit wurden Jungen mit Barth-Syndrom oft nicht älter als drei Jahre. Sie starben an Herzversagen oder Infektionen. Aber mit einer verbesserten Diagnose und einer angemessenen medizinischen Behandlung und Überwachung aller Symptome ist die Überlebensrate und die Zukunft dieser Menschen viel besser. „Genau das motiviert mich und spornt mich an. Die Krankheit ist zwar selten. Bekannt sind etwa 500 Fälle weltweit. Wir gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus. Und was zählt ist das Schicksal jedes einzelnen Jungen“, betont Maack.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Würzburg. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Ivan Bandura, Unsplash