Während in der Corona-Pandemie vielen Arztpraxen die Patienten wegbrechen, schießen die Fallzahlen in der Kinderpsychotherapie in die Höhe. Die aktuellen Zahlen eines Trendreports seht ihr hier.
Es zeigen sich Versorgungsauffälligkeiten im ersten Corona-Halbjahr 2021: Während der Pandemie wurden ärztliche Leistungen sowohl 2020 als auch im ersten Halbjahr 2021 seltener in Anspruch genommen. Im Gegensatz dazu sind Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in der Pandemie außergewöhnlich stark ausgelastet. Zu diesem Ergebnis kommt das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) in einem Trendreport zur Entwicklung der vertragsärztlichen Leistungen im ersten Halbjahr 2021.
So lagen die Fallzahlen über alle ärztlichen Fachgruppen hinweg wegen der vierten Pandemiewelle in den ersten Monaten dieses Jahres unter den Werten von 2019 (-14,9 Prozent im Januar bzw. -12 Prozent im Februar). Auch im April und Mai lagen die Gesamtfallzahlen noch unter Vorjahresniveau; erst im Juni erreichten diese annähernd wieder das Niveau von vor der Pandemie aus dem Jahr 2019 (-1,9 Prozent).
Deutlich verändert hat sich die Inanspruchnahme von Leistungen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Diese lag 8 Prozent über der vorpandemischen Vergleichsperiode der ersten sechs Monate 2019. Im Juni 2021 lagen die Fallzahlen hier sogar 37 Prozent über denen des Juni 2019.
Auch bei den Kinder- und Jugendärzten zeigten sich zum Ende des zweiten Quartals mit einem Plus von 39,6 Prozent starke Nachholeffekte. Insgesamt blieben die Fallzahlen mit persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt in der pädiatrischen Versorgung jedoch um 13,2 Prozent hinter denen des ersten Halbjahres 2019 zurück. Bei den Hausärzten lag das Minus insgesamt bei 5,4 und bei den Fachärzten bei 2,1 Prozent.
„Die starke Zunahme bei der kinder- und jugendpsychotherapeutischen Versorgung gibt Anlass zur Besorgnis und muss eng monitoriert werden“, sagte Zi-Vorstandsvorsitzender Dr. Dominik von Stillfried. „Lange Zeit lag der Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit auf den schwer erkrankten COVID-19-Patienten sowie den vulnerablen Gruppen“, so von Stillfried. „Weil es bei Kindern und Jugendlichen kaum schwere Verläufe gab, befanden sie sich lange unterhalb des politischen und gesellschaftlichen Radars. Die offenbar pandemiebedingten massiven psychischen Belastungen der unter 18-Jährigen machen sich jetzt zunehmend in der ambulanten Versorgung bemerkbar.“
Sichtbar werde der Einsatz der Arztpraxen aber auch bei den für die Gesundheitsprävention wichtigen Früherkennungsuntersuchungen: „Ungeachtet der zahlreichen Einschränkungen im medizinischen Versorgungsalltag haben die Vertragsärzte auch unter Pandemiebedingungen weiterhin unter Hochdruck geliefert“, sagte von Stillfried.
Im Vergleich zu 2019 seien im ersten Halbjahr 2021 vor allem Früherkennungsuntersuchungen für Kinder im Plus (5,7 Prozent) sowie Mammographie-Screenings (8,6 Prozent) und die Früherkennungskoloskopie (9,4 Prozent). Lediglich das Hautkrebsscreening habe weiter um 14,3 Prozent im Vergleich zu 2019 nachgelassen.
Gleichzeitig setzte sich der schon 2020 beobachtete rückläufige Trend im Notfall- und Bereitschaftsdienst 2021 weiter fort. „Wir gehen davon aus, dass diese Fallzahlrückgänge vor allem mit einer pandemiebedingten Verminderung sonstiger Akutfälle zusammenhängen. Hier sehen wir einen regelrechten Einbruch bei der Inanspruchnahme. Unsere Daten zeigen Rückgänge in Höhe von 18 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2019. Der Effekt ist damit noch deutlicher als im ersten Halbjahr 2020“, erklärte der Zi-Vorstandsvorsitzende.
Während die Zahl der Behandlungsfälle mit persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt von Januar bis Juni 2021 im Vergleich zu 2019 insgesamt gesunken ist, sind die Fälle mit telefonischer Beratung und Kontakte per Videosprechstunde im Vergleich zum Vorjahreszeitraum weiter angestiegen. So wurden in diesem Zeitraum fast 4,1 Millionen telefonische Beratungen vorgenommen; das waren fast 1,4 Millionen mehr als im selben Zeitfenster 2019. Hinzu kamen weitere gut 1 Million Stunden für telefonische Beratung, die über die im ersten Halbjahr 2021 zeitweise in den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgenommenen Zuschläge vergütet wurden.
Mit insgesamt knapp 2,6 Millionen Videosprechstunden sind diese im ersten Halbjahr 2021 ebenfalls häufiger angeboten worden als im selben Zeitraum 2019 oder 2020 (+2.256.591 gegenüber 2019 und +785.289 gegenüber 2020). Allerdings ist ab März 2021 eine abnehmende Tendenz zu erkennen.
Im ersten Halbjahr 2021 gab es insgesamt rund 13,3 Millionen Behandlungsanlässe wegen des klinischen Verdachts oder des Nachweises einer SARS-CoV-2-Infektion. Dabei sind in dieser Zeit rund 5,65 Millionen PCR-Tests auf SARS-CoV-2 vertragsärztlich abgerechnet worden.
Für den aktuellen Trendreport wurden dem Zi von 16 der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen aggregierte Informationen aus den Abrechnungsdaten des Zeitraumes erstes Quartal 2019 bis erstes Quartal 2021 sowie Frühinformationen aus den Abrechnungsdaten des zweiten Quartals 2021 übermittelt. Die Daten wurden auf die Frage hin ausgewertet, wie sich die Fallzahlen und die Anzahl abrechnender Ärzte sowie die Häufigkeiten bestimmter Leistungskategorien im Jahr 2020 und 2021 im Vergleich zum Jahr 2019 verändert haben.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Thor Alvis, Unsplash