Gut 99 Prozent aller Corona-Infektionen in Deutschland gehen inzwischen auf Deltas Konto. Jetzt zeigt ein Forscherteam, warum die Variante Lungenzellen besser infizieren und der Antikörperantwort ausweichen kann.
Das Auftreten von SARS-CoV-2-Varianten, die sich schnell ausbreiten und den Impfschutz unterlaufen können, gefährdet das Ende der COVID-19-Pandemie. Die Delta-Variante (B.1.617.2) hat sich von Indien aus in kurzer Zeit weltweit ausgebreitet und auch in Deutschland gehen fast alle Infektionen auf diese Variante zurück. Außerdem wurden sogenannte Delta Plus Viren beobachtet, die zusätzliche Mutationen tragen, die sie möglicherweise gefährlicher machen.
Ein Forschungsteam um Stefan Pöhlmann und Markus Hoffmann vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen haben mit weiteren Forschern untersucht, warum sich die Delta-Variante so schnell ausbreitet, und ob Delta-Plus-Viren besonders gefährlich sind. Sie konnten zeigen, dass Delta und Delta Plus Lungenzellen besser infizieren als das Ursprungsvirus. Zudem war einer von vier zur Behandlung von COVID-19 eingesetzten Antikörpern gegen Delta nicht wirksam und Delta Plus war sogar gegen zwei der Antikörper resistent. Auch Antikörper, die nach Impfung mit den Vakzinen von Biontech/Pfizerund AstraZeneca gebildet wurden, waren gegen Delta und Delta Plus weniger wirksam als gegen das Ursprungsvirus.
Delta und Delta Plus wurden dagegen vergleichbar gehemmt, weswegen man davon ausgehen kann, dass Delta Plus für Geimpfte wahrscheinlich keine größere Gefahr darstellt als Delta. Schließlich hatten Personen, die zuerst mit AstraZeneca und dann mit Biontech/Pfizer geimpft wurden, deutlich mehr Antikörper, die Delta hemmten, als Personen, die zweimal mit AstraZeneca geimpft wurden. Die Kombination von Impfstoffen könnte daher geeignet sein, um einen besonders starken Schutz gegen SARS-CoV-2-Varianten aufzubauen.
Mehr als 99 Prozent der Corona-Infektionen in Deutschland gehen laut Robert-Koch-Institut derzeit auf die Delta-Variante zurück. Mit Hilfe von Experimenten in Zellkultur konnte das Team um Pöhlmann und Hoffmann zeigen, dass Delta im Vergleich zum Ursprungsvirus besser in Lungenzellen eindringen kann. Zudem gelingt es Delta besser, infizierte Lungenzellen mit nicht infizierten Zellen zu verschmelzen. „Es ist denkbar, dass sich die Delta-Variante durch die Verschmelzung von Zellen in den Atemwegen besser ausbreiten und größeren Schaden anrichten kann. Das könnte zu schwereren COVID-19-Verläufen beitragen“, vermutet Prerna Arora, Wissenschaftlerin am Deutschen Primatenzentrum und Erstautorin zweier Studien, die sich speziell mit der Delta- und Delta-Plus-Variante befassen.
Das Forscher-Team hat auch vier monoklonale Antikörper im Einsatz gegen COVID-19 untersucht. Dabei zeigte sich, dass Delta resistent gegen Bamlanivimab ist. Delta Plus ist resistent gegen zwei Antikörper: Bamlanivimab und Etesevimab, die bei der Behandlung von Erkrankten in Kombination eingesetzt werden.
Dass Delta und Delta Plus weniger gut durch Antikörper von infizierten und geimpften Personen neutralisiert werden als das Ursprungsvirus, hat wahrscheinlich zur raschen Ausbreitung von Delta beigetragen. Ein Vergleich von Delta und Delta Plus zeigte, dass beide Viren vergleichbar neutralisiert werden. „Das bedeutet, dass die Impfung wahrscheinlich einen vergleichbaren Schutz gegen Delta und Delta Plus vermittelt und Delta Plus nicht deutlich gefährlicher ist", sagt Pöhlmann. Der Impfstoff von Biontech/Pfizer wird in Europa am häufigsten eingesetzt, gefolgt vom Impfstoff von AstraZeneca. „Unsere Studien zeigen, dass die Kreuzimpfung deutlich mehr neutralisierende Antikörper gegen Delta induziert als zwei Impfungen mit Oxford-AstraZeneca. Personen, die eine solche Kreuzimpfungen erhalten haben, könnte daher besonders gut vor Delta und Delta Plus geschützt sein", sagt Hoffmann.
„Unsere Ergebnisse decken sich mit der Beobachtung, dass Impfungen effizient vor einer schweren Erkrankung nach Infektion mit Delta schützen, aber die Infektion häufig nicht vollständig unterdrücken können. In Anbetracht des starken Schutzes vor schwerer Erkrankung muss das Ziel weiterhin eine möglichst hohe Impfquote sein. Dies sollte verhindern, dass bei einer starken Ausbreitung von Delta und eng verwandten Viren in den Wintermonaten das Gesundheitssystem überlastet wird“, sagt Pöhlmann.
Quellen
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Primatenzentrums – Leibniz-Institut für Primatenforschung.
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