„Mein Hund hat eine Zecke, die sich nicht entfernen lässt.“ Die Besitzerin schaut besorgt, ich muss mir nach einer ersten Untersuchung das Lachen verkneifen. Denn nicht immer ist eine Zecke wirklich eine Zecke.
Tierbesitzer stellen ihre Schützlinge aus den absurdesten Gründen bei mir in der Praxis vor. Meistens wissen sie dabei gar nicht, wie schräg ihr Anliegen ist. Hier ein paar Beispiele, die wohl jeder Veterinär kennt.
Eins noch vorweg: Es ist gut, dass die Leute zum Tierarzt kommen, wenn ihnen etwas auffällt. Lieber einmal zu viel und man kann die Sache aufklären, als einmal zu wenig und die Hilfe kommt zu spät.
„Hat eine Zecke, die sich nicht entfernen lässt“ – so oder ähnlich lautet ein Vorstellungsgrund, der in regelmäßigen Abständen, vor allem beim Hund, vorkommt. Wenn es sich um ein männliches Tier handelt, schwant einem als Tierarzt schon etwas (was in den meisten Fällen lustig ist).
Die Leute betreten dann meist besorgt das Sprechzimmer und erzählen von der Zecke, die sie entfernen wollten. „Aber das hat einfach nicht geklappt. Können Sie sich das mal anschauen?“ Natürlich kann ich. Ich frage dann: „Wo ist denn die Zecke?“ Die Besitzer suchen eifrig im Fell des Tieres – häufig an der Unterseite des Bauches oder der Brust. „Hier, da ist sie.“ Ich würde schätzen, dass sie mir in mindestens 50 Prozent der Fälle eine Mamille präsentieren.
Erkläre ich ihnen, worum es sich bei der vermeintlichen Zecke handelt, herrscht meist betretenes Schweigen. Erstaunte und verwirrte Blicke. „Aber er ist doch ein Männchen“, kommt dann meistens. „Hat ihr Mann denn keine Brustwarzen?“, frage ich in solchen Fällen oft. Erleichtert kann ich die Leute in der Regel aus dem Behandlungszimmer entlassen, manchmal erst, nachdem ich eine etwas blutige und gereizte Zitze versorgt habe.
Ähnlich wie die Zecke begegnet einem diese Situation auch oft bei männlichen Tieren – allerdings mit einer anderen Verdachtsdiagnose. Ihr könnt euch vielleicht schon denken, worum es diesmal geht. „Der hat da so einen komischen Hubbel, der war vorher nicht da.“ Wieder wird an der Unterseite oftmals langhaariger Hunde gesucht. „Ja, das ist sein Penis, beziehungsweise seine Vorhaut“, muss ich dann schon mal aufklären. Das ist den Leuten meistens noch unangenehmer als die Verwirrung um die Brustwarze.
Wahlweise handelt es sich bei dem vermutete Tumor um eine Wolfskralle. Auch hier kommt es oft bei langem Fell zur Verwechslung – das erschwert die Sicht.
Seltener, aber auch durchaus gängig ist die letzte Verwechslung – „Besitzerin glaubt, dass Hündin eine Blasenentzündung hat“, könnte der Eintrag im System in diesen Fällen lauten. Ich rufe die Besitzerin mit ihrer Hündin herein.
„Was führt Sie zu mir?“
„Ich habe heute morgen rötlichen Urin bei ihr gesehen“, erzählt die Besitzerin.
„Hat sie denn mehr als einmal Urin abgesetzt oder war sie in einer anderen Form verändert?“
Nach einer allgemeinen Untersuchung, einem Blick in die Patientenakte und auf das Geburtsdatum des Tieres wird der Grund für Frauchens Sorge deutlicher. „Ihre Hündin ist läufig – sie hat quasi ihre erste Periode bekommen“, erkläre ich der besorgten Frau. Die Erleichterung ist in diesen Fällen ebenso groß, wie bei falschen Tumoren und Zecken.
Ich habe mich immer gefreut, wenn ich den Menschen so schnell ihre Sorgen um ihr geliebtes Tier nehmen konnte. Das Schmunzeln konnte ich mir aber oft auch nicht verkneifen – natürlich erst, nachdem die Leute den Behandlungsraum verlassen hatten.
Bildquelle: Braydon Anderson, unsplash