Könnten Kopfschmerzen auf einen positiven COVID-19-Verlauf hindeuten? Um diese Frage ging es in einer spannenden Session beim Deutschen Schmerzkongress 2021. Die DocCheck News waren für euch dabei.
COVID-19 bereitet uns allen eine Menge Kopfschmerzen – nicht nur im übertragenen, sondern auch im wörtlichen Sinne. Neben Husten, Anosmie und Myalgie gehört auch der Kopfschmerz zu den möglichen Symptomen einer SARS-CoV-2-Infektion – und kommt häufig genug vor, um schon in zahlreichen Studien untersucht worden zu sein. „Da gibt es eine Unmenge an verschiedenen Publikationen“, stellt Dr. med. Andreas Straube fest, Professor an der LMU München. Im Rahmen seines Vortrags zum Thema „SARS-CoV-2 Infektion und Kopfschmerzen: Unterschiede zu anderen Infektionen?“ auf dem Deutschen Schmerzkongress 2021 stellte er die aktuelle Studienlage in Bezug auf Kopfschmerz als Symptom einer Corona-Infektion vor.
Wie häufig der Kopfschmerz als Symptom auftritt, ist schwer zu beziffern – je nach Studie schwankt der Anteil an betroffenen Patienten stark. Beispielsweise gaben in einer Saudi-Arabischen Studie 50 % der Patienten Kopfschmerzen als Symptom an; eine große Meta-Analyse von weltweiten Studienergebnissen kam zu dem Schluss, dass die Prävalenz am häufigsten um die 20 – 30 % liegt, ausgehend von einer bunten Mischung von Ergebnissen mit Zahlen zwischen 6 % und sogar 71%. Übertragen auf die Lage in Deutschland bedeutet dies: Bei etwa 4,4 Mio. an Corona erkrankten Personen (RKI) dürften rund 1,3 Mio. Patienten Kopfschmerzen erlebt haben, wenn von einer Häufigkeit von 30 % ausgegangen wird.
Bezüglich der Schwere der Kopfschmerzen verwies Straube auf eine weitere Meta-Auswertung. Laut dieser gebe es keinen Unterschied in der Kopfschmerzhäufigkeit zwischen leichter und schwerer erkrankten Patienten. Jedoch fiel auf, dass Patienten, die in der Vergangenheit bereits unter Migräne gelitten hatten, im Falle einer Covid-Infektion mit in der Regel länger anhaltenden und auch stärkeren Kopfschmerzen zu kämpfen hatten als solche Patienten, die noch keine Kopfschmerzerkrankung in ihrer Vorgeschichte hatten.
Wie der Krankheitsverlauf und Kopfschmerz als Symptom zusammenhängen demonstrierte als eine der ersten eine Forschergruppe aus Barcelona. „Patienten, die initial Kopfschmerzen entwickelt haben, hatten eine deutlich geringere Sterblichkeit und hatten auch eine kürzere Verweildauer im Krankenhaus“, so Straube. Kopfschmerz also als ein prognostisch günstiger Faktor für COVID-19? Eine weitere große Studie, die weltweit gesammelte Daten auswertete, untermauert dies deutlich: Patienten, die von Kopfschmerz berichteten, hatten eine 2-mal geringere Sterblichkeit als Patienten ohne dieses Symptom.
Im Gegensatz dazu steht ein anderer auffälliger Zusammenhang, den die gleiche Studie zu Tage förderte: In Ländern mit einer höheren Prävalenz an Kopfschmerzerkrankungen in der Bevölkerung, wie beispielsweise Migräne, ist auch die COVID-19 Sterberate erhöht. Woran genau dies liegt, bleibt unklar. Jedoch spekuliert Straube, dass der Grund dafür die unterschiedliche Demographie sein könnte, da die Bevölkerung in den westlichen Industrieländern insgesamt älter ist.
Long-Covid ist in aller Munde, und auch Kopfschmerz gehört zu Symptomen, die lange nach der ursprünglichen Infektion anhalten können. In der zuvor bereits erwähnten spanischen Studie hatte mehr als ein Drittel der Patienten, die initial unter Kopfschmerzen litten, Schmerzsymptome, die länger als 6 Wochen andauerten. Von diesen hatten 50 % keine Vorgeschichte mit Kopfschmerzerkrankungen; der chronische Kopfschmerz stellte also eine neue Entwicklung dar.
Eine weitere Studie liefert ebenfalls Hinweise darauf, dass es durch COVID-19 zur Entwicklung von chronischen Kopfschmerzen kommen kann. Dort klagten 10 % der Patienten noch 7 Monate später über langanhaltende Schmerzen.
Ausgehend von den schätzungsweise 1,3 Mio. Patienten mit initialem Kopfschmerz in Deutschland rechnet Prof. Straub vor: „Wenn man davon ausgeht, dass wir 10 % anhaltende Kopfschmerzen unter den Patienten haben, dann kommt man auf etwa 130.000 neue Patienten mit chronisch anhaltenden täglichen Kopfschmerzen. Wenn wir eine höhere Zahl, so wie die Spanier, annehmen, dann sind das sogar 500.000 Patienten.“
Diese Befunde sind auch interessant für das Verständnis des Entstehungsmechanismus hinter NDPH oder neu aufgetretenem persistierendem täglichem Kopfschmerz. Es wurde schon länger unabhängig von COVID-19 diskutiert, inwiefern eine Virusinfektion am Anfang der Krankheitsgeschichte stehen könnte. Ein Zusammenhang zwischen NDPH und Infektionen mit EBV oder Herpes wurde schon früher belegt; die aktuellen Befunde liefern nun einen weiteren Hinweis in diese Richtung.
Bildquelle: averie woodard, unsplash