Geben Eltern Effekte des angeborenen Immunsystems an ihre Nachkommen weiter? Das hat nun erstmals ein Forscherteam untersucht. Wichtig für die Experimente: Candida albicans.
Es wird nicht nur vererbt, was in der DNA-Sequenz festgeschrieben ist. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass auch Umwelteinflüsse an die nächste Generation weitergegeben werden. Ein Beispiel: Kinder, die während des Hungerwinters 1944/45 im Mutterleib heranwuchsen, weisen typische Veränderungen in ihrem Stoffwechsel auf. Dies ist offenbar eine Anpassung an Nahrungsknappheit während der Entwicklung und ist mit einem höheren Risiko etwa für Diabetes und Übergewicht verbunden.
Die epigenetische Forschung untersucht solche Beziehungen auf molekularer Ebene. Sie analysiert Veränderungen der Genfunktion. „Nicht alle Bereiche der DNA sind für das Auslesen der genetischen Information gleich zugänglich“, erläutert Prof. Andreas Schlitzer vom LIMES-Institut der Universität Bonn. Wenn zum Beispiel Methylgruppen den Zugang versperren, kann das Gen nicht richtig ausgelesen werden. Seit Jahrzehnten werden diese Zusammenhänge erforscht. Die Übertragung der Infektionsresistenz auf die nächste Generation wurde bereits bei Pflanzen und wirbellosen Tieren nachgewiesen.
Ein Forschungsteam mehrerer Universitäten hat nun erstmals untersucht, ob auch bei Säugetieren Effekte des angeborenen Immunsystems an die nächsten Generationen weitergegeben werden.
Die Wissenschaftler infizierten männliche Mäuse mit Soorpilzen (Candida albicans). Nach überstandener Infektion wurden die Tiere mit völlig gesunden Weibchen verpaart. Den daraus hervorgehenden Nachwuchs verglichen die Forscher mit Nachkommen von Mäusepaaren, die zuvor nicht mit Candida infiziert waren. Um den Status des Immunsystems experimentell zu untersuchen, infizierte das Team die Männchen der nachfolgenden Mäusegeneration mit Kolibakterien. „Die Abkömmlinge der männlichen Mäuse, die zuvor Candida ausgesetzt waren, waren deutlich besser vor einer nachfolgenden E. coli-Infektion geschützt als die Nachkommen der nichtinfizierten männlichen Mäuse“, berichtet Prof. Mihai G. Netea vom Radboud Zentrum für Infektionskrankheiten. Auch in der nächsten Generation zeigte sich noch dieser Effekt.
Wie funktioniert diese Weitergabe? Das Team untersuchte typische Immunzellen wie Monozyten oder Neutrophile. Zwischen den Nachkommen der mit Candida infizierten männlichen Mäuse und der nicht-infizierten Kontrollgruppe waren keine Unterschiede feststellbar. Jedoch war bei den Nachkommen der zuvor infizierten Mäuseväter der MHC-Klasse-II-Komplex hochreguliert, der Teile des Immunsystems aktiviert.
Darüber hinaus zeigte sich, dass bei Nachkommen Candida-infizierter Väter auch die Aktivität von Genen hochreguliert war, die an Entzündungen beteiligt sind. Bei den Nachkommen der zuvor mit Soorpilzen infizierten männlichen Mäuse erwies sich, dass in Monozyten-Vorläufern Entzündungs-assoziierte Gene besser ausgelesen werden konnten als bei Söhnen nicht-infizierter Väter. „Dies zeigt, dass die Monozyten-Vorläufer des Immunsystems epigenetisch umprogrammiert sind, wenn die Väter zuvor eine Infektion mit Candida albicans durchgemacht haben“, fasst Schlitzer zusammen.
Wie findet die Weitergabe dieser Information zur nächsten Generation statt? Die Forscher untersuchten die Genaktivität des Spermas der mit Candida infizierten Mäuseväter. Sie analysierten, in welchem Ausmaß Methylgruppen den Zugang zu den Genen versperrten. „Hier war eine Verschiebung der Genmarkierungen erkennbar“, sagt Prof. Jörn Walter von der Universität des Saarlandes. Nachkommen von Candida-infizierten männlichen Mäuse zeigten weniger Gen-Blockaden in Genregionen, welche wichtig für Entzündungsprozesse und die Heranreifung von Monozyten sind. Wie die Information über die Spermienmarkierungen ins Knochenmark, dem Geburtsort vieler Immunzellen, kommt, muss noch in weiteren Studien erforscht werden.
„Die Studie zeigt erstmals an Säugetieren, dass Anpassungen an Infektionskrankheiten auch an Nachkommen weitervermittelt werden“, sagt Netea. Im Gegensatz zur klassischen Evolutionstheorie, die von einer langsamen Anpassung durch Erbgutveränderungen ausgeht, handele es sich hierbei unabhängig vom genetischen Code um sehr rasche Veränderungen über die Regulation von Genaktivitäten. Die Forscher wissen noch nicht, ob die an Mäusen gewonnenen Erkenntnisse auch auf Menschen übertragbar sind. „Wir gehen aber davon aus“, sagt Schlitzer. „Die beteiligten Mechanismen und Zellen des Immunsystems sind bei Mäusen und Menschen sehr ähnlich.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Didssph, Unsplash