Die Uniklinik Bonn testete mehrere Jahre das Versorgungsmodell eines hebammengeführten Kreißsaals. Der Effekt auf den Verlauf der Geburten ist bemerkenswert.
Die Uniklinik Bonn hat in einem Forschungsprojekt untersucht, wie sich eine ausschließlich durch Hebammen selbstständig betreute Geburt auf die medizinische Qualität auswirkt. Das Versorgungsmodell des hebammengeleiteten Kreißsaals wurde als erstes an der Uniklinik Bonn eingeführt und elf Jahre lang getestet – mit einem deutlichen Ergebnis.
Das Ergebnis zeigt, dass ein hebammengeleiteter Kreißsaal natürliche Geburtsverläufe mit weniger operativen Eingriffen und Schmerzmitteln fördert und sich die Geburtsdauer im Durchschnitt verkürzt. Die Geburt im Hebammenkreißsaal verlaufe schneller und mit weniger Interventionen, insbesondere mit weniger Episiotomien und Dammmrissen II. Grades, allerdings auf Kosten einer größeren Häufigkeit höhergradiger Geburtsverletzungen.
Darüber hinaus trägt das Versorgungsmodell zur Arbeitszufriedenheit der Hebammen bei. Insbesondere die Hebammen berichteten über eine höhere Berufszufriedenheit – dies ist vor dem Hintergrund des aktuellen Hebammenmangels ein wichtiges Ergebnis. Prof. Ulrich Gembruch, Uniklinik Bonn, erklärt: „Originäre Hebammenarbeit und selbstständiges Arbeiten rückten hier in den Mittelpunkt, ein ‚Spill-over‘-Effekt in das ärztlich geleitete Betreuungsmodell wurde beschrieben. Darüber hinaus betonten beide Professionen das bessere gegenseitige Verständnis und die Zusammenarbeit“.
Dennoch zeigen die jetzt veröffentlichten Analysen aus dem mehrteiligen Forschungsprojekt auch, dass die Weiterleitungsrate in den ärztlich geführten Kreißsaal bei 50,3 % lag. „Diese Zahlen zeigen eindrücklich, wie wichtig flächendeckend verfügbare ärztliche Geburtshelfer für die Sicherheit von Mutter und Kind unter der Geburt sind“, betont Prof. Anton Scharl, Präsident der Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Während also Niedrigrisikogeburten nach strenger Vorauswahl durch Hebammen begleitet werden können, ist bei jeglicher Abweichung die Anwesenheit ärztlicher Geburtshelfer nötig. Dies reicht etwa von der Anlage häufig gewünschter Periduralanästhesien (PDA) bis hin zu pathologischen Geburtsverläufen sowie Kaiserschnitten.
Schätzungen zufolge liegt der Anteil an unkomplizierten Geburten in Deutschland bei etwa 20 %. Bei einer 50%-igen Weiterleitungsrate in den arztgeführten Kreißsaal ist in 90 % der Geburten also auch ärztliche Geburtshilfe erforderlich. Wichtig ist zudem, dass eine Geburt im Hebammenkreißsaal eine Geburt in der Klinik ist.
Die Bonner Studie liefert konkrete Zahlen zur Bedeutung von Frauenärzten und Hebammen für eine sichere Geburtshilfe. Sie zeigt, welche Bedeutung die ausreichende Ausstattung der Geburtskliniken mit Hebammen hat: „Eine 1:2-Betreuung, noch besser eine 1:1-Betreuung durch Hebammen ist kein Luxus, sondern Notwendigkeit“, erklärt der DGGG-Präsident. „Da der Großteil der Geburten aber Ärzte erfordert, muss die ärztliche Geburtshilfe genauso gefördert werden.“ Andernfalls sei für die Mehrzahl der Gebärenden keine sichere Geburt möglich.
Aufgrunddessen hat die DGGG – gemeinsam mit dem Deutschen Hebammenverband (DHV) – zum Entwurf für das Versorgungsverbesserungsgesetz kritisch Stellung bezogen. Darin konkretisieren beide Verbände in einem Appell die Vorschläge zur dringend nötigen Verbesserung der Rahmenbedingungen in der deutschen Geburtshilfe. Scharl verdeutlicht: „Durch eine einseitige Vernachlässigung der Ärzte würde der Bundesgesundheitsminister die Schwangeren in den deutschen Kliniken gefährden“.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Hier findet ihr die Originalpublikation.
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