Bei einer Erkältung in der Schwangerschaft kommt nicht jedes Medikament in Frage. Wozu können Ärzte dennoch bedenkenlos raten? Und zu welchen Hausmitteln liegen Studien vor?
Winterzeit ist Erkältungszeit. Ein bis zwei Wochen schniefen und Halsschmerzen – ist ja alles halb so schlimm. Ein paar Tabletten und es geht auch gleich viel besser. Anders ist fällt die Nutzen-Risikobewertung in der Schwangerschaft aus. Welche Medikamente können eingenommen werden, um die Bagatellerkrankung zu lindern, aber den Fötus nicht zu gefährden?
In der Schwangerschaft sollte möglichst auf Alternativen zur medikamentösen Behandlung ausgewichen werden. In einer Pilotstudie von Parisius wurde analysiert, welche Hausmittel gegen Erkältungsbeschwerden angewendet werden. Die Analyse umfasste Fragen zu Allgemeinwissen der Patientin, erlebten Wirksamkeit von Hausmitteln, Anwendung von Hausmitteln bei häufigen Gesundheitsproblemen und soziodemografischen Fakten. Die Patienten wurden von zufällig ausgewählten Hausarztpraxen aus den Regionen Heidelberg, Erfurt und Hannover befragt.
480 von 592 ausgewählten Patienten aus 37 Hausarztpraxen machten verwertbare Angaben. Basierend auf den Umfrageergebnissen waren Hausmittel weithin bekannt und wurden von etwa 80 Prozent der Befragten verwendet. Die am häufigsten verwendeten Hausmittel waren:
Enttäuschend für Ärzte, Apotheker und Hebammen ist, dass 80 Prozent der Befragten einen Rat am häufigsten von Familienmitgliedern einholen und nicht von schriftlichen Ratgebern oder medizinischem Fachpersonal.
Ein kompetentes Immunsystem kann Erregern mehr entgegensetzen als ein geschwächtes. Präparate, die die körpereigene Abwehr unabhängig von der Art der Erreger steigern sollen, wirken paraimmunisierend.
Diese Form der Immunisierung ist nicht erregerspezifisch und führt zu einem schnellen, dafür aber nur kurz andauernden Schutz. Die allgemeine Abwehrbereitschaft des Körpers soll aktiviert und gesteigert werden. Vermutlich wird die Bildung von Granulozyten und Makrophagen aktiviert, ihr „Erregerhunger“ gesteigert und mehr Botenstoffe wie Interferone und Interleukin-2 produziert.
Seit der Chemie-Nobelpreisträger Linus Pauling in den 1970er-Jahren in einem Buch die angebliche Wirkung von hochdosierten Vitamin-C-Präparaten zum Schutz vor Erkältungen anpries, gilt das Vitamin als das Anti-Erkältungs-Vitamin schlechthin. Die Datenlage zur vorbeugenden oder gar heilenden Wirkung von Vitamin C bei Erkältungen ist allerdings enttäuschend negativ.
Eine Metaanalyse der Cochrane Collaboration fasste die Ergebnisse von mehr als 30 Studien zur Wirksamkeit von hochdosiertem Vitamin C (mehr als 200 mg pro Tag) zusammen.
Die Schlussfolgerung der Autoren: „Die Tatsache, dass eine Vitamin-C-Supplementierung das Auftreten von Erkältungen in der Allgemeinbevölkerung nicht reduziert, weist darauf hin, dass eine routinemäßige Vitamin-C-Supplementierung nicht gerechtfertigt ist, dennoch kann Vitamin C für Personen nützlich sein, die kurzzeitig starker körperlicher Anstrengung ausgesetzt sind.“
Bereits ab dem vierten Schwangerschaftsmonat steigt der Bedarf an Zink erheblich an. Hinzu kommt, dass Zinkmangel während einer Schwangerschaft durch die zusätzliche Einnahme von Eisen begünstigt wird. Die Eisenpräparate blockieren die optimale Bioverfügbarkeit von Zink.
Nehmen Frauen während der Schwangerschaft zu wenig Zink zu sich, kann das ungeborene Kind zu Schaden kommen. Wissenschaftler vermuten, dass Fehlbildungen oder ein zu geringes Geburtsgewicht auch auf Zinkmangel zurückzuführen sind.
Zudem erhöht sich das Risiko, eine Fehlgeburt zu erleiden, wenn Schwangere nicht auf die optimale Versorgung mit Nährstoffen während der Schwangerschaft achten.
Zinkverbindungen werden zur Prophylaxe und Therapie viraler Infektionen propagiert. Die Datenlage hierzu ist recht stabil. Zinkionen wirken auf sehr unterschiedliche Wegen gegen virale Infektionen:
Außerdem wirkt Zink als Adstringens und stabilisiert Proteine und Zellmembranen. Gerade bei der banalen Erkältung platzen Mastzellen, überschwemmen den Körper mit allergenem Histamin und lösen die typische Schnupfensymptomatik aus. Zink verhindert die Bindung der Rhinoviren an die Schleimhautzellen. Die Viren können so nicht mehr in die Zellen eindringen und sich weiter ausbreiten.
Wichtig ist, dass man mit der Zinkbehandlung innerhalb von 24 Stunden beginnt, nachdem die ersten typischen Anzeichen einer Infektion auftauchen. Pro Tag sollten, auf mehrere Einzeldosen verteilt, etwa 15 mg Zink gelutscht werden. Zur Wirksamkeit gegen Coronaviren existieren bis jetzt noch keine Daten.
Hinweise auf Schäden durch starke Zinkexposition beim Menschen liegen nicht vor, während bei Zinkmangel über eine Häufung von Neuralrohrdefekten, Wachstumsretardierung und weiteren Schwangerschaftskomplikationen diskutiert wird. Der Tagesbedarf für Schwangere beträgt nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung 10 mg.
Den zusammengefassten Studienergebnissen zufolge könnte die Einnahme von Zinkpräparaten bei Erwachsenen die Krankheitsdauer um 1,8 Tage verkürzen. Folglich lohnt sich für Erwachsene die Einnahme von Zinkpräparaten möglicherweise, wenn sie die Erkrankungsdauer merklich reduzieren wollen.
Es gibt Untersuchungen dazu, dass allgemein heiße Flüssigkeiten durch ihren Dampf den Schleim in den Atemwegen lösen können. Im Vergleich hat Hühnersuppe zu heißem Wasser zusätzlich bessere Effekte.
Die Geschwindigkeit des Nasenschleims und der nasale Luftstromwiderstand wurden bei 15 gesunden Probanden vor und nach 5 und 30 Minuten nach dem Trinken von heißem Wasser, heißer Hühnersuppe und kaltem Wasser gemessen. Heißes Wasser erhöhte die Nasenschleimfließgeschwindigkeit von 6,2 auf 8,4 mm pro Minute, heiße Hühnersuppe von 6,9 auf 9,2 mm.
Außerdem wurde nachgewiesen, dass Hühnersuppe in vitro das Anlocken von Entzündungsmediatoren hemmt. Damit kann sie antientzündlich wirken. Generell stecken im Huhn viele hochwertige Eiweißbausteine wie etwa Cystein oder Carnosin, die als Antioxidantien wirken, so Entzündungen hemmen und Zellen schützen können.
Eine weitere Hilfe aus der Natur ist die Alge. Viren dringen über die Nase und den Rachenraum in den Körper ein. Nasensprays mit dem Algenwirkstoff Carragelose bilden eine physikalische Barriere, in der sich Viren verfangen. Studien belegen, dass die Viruslast um bis zu 90 Prozent reduziert werden kann.
Die Leitlinie „Rhinosinusitis“ der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde empfiehlt zur Behandlung einige Phytopharmaka (Cineol, Myrtol, und ein Kombipräparat aus Ampfer, gelbem Enzian, Holunder, Eisenkraut und Schlüsselblume). Die Leitlinien empfehlen bei Erkältungen allgemein auch Analgetika und Dekongestiva. Beide Substanzklassen sind in der Schwangerschaft meist kontraindiziert.
Abschwellende Substanzen zum Einnehmen sind beispielsweise Ephedrin und Phenylephrin. Da der Wirkstoff Ephedrin die Plazentaschranke überwinden kann und auch in die Muttermilch übergeht, sollte er während Schwangerschaft und Stillzeit nicht angewendet werden. Bei Schwangeren kann durch Ephedrinpräparate zusätzlich eine Minderdurchblutung der Plazenta auftreten, die das Kind gefährdet.
Etwa 20 bis 30 Prozent der Schwangeren leiden unter einer Schwangerschaftsrhinitis (Rhinopathia gravidarum). Ursachen sind Estrogene, die die Durchblutung der Nasenschleimhaut steigern und die Bildung von Nasensekret erhöhen.
Gegen nasale abschwellende Zubereitungen wie Xylometazolin oder Oxymetazolin ist nichts einzuwenden – sie wirken rasch abschwellend. Nasentropfen sollten nicht angewendet werden, die Dosiergenauigkeit ist schlecht, es besteht die Gefahr einer Keimverschleppung. Viele Patienten legen den Kopf bei der Anwendung in den Nacken. Die Nase befindet sich aber bekannterweise oberhalb des Halses, so rinnen die Tropfen in die Speiseröhre. Statt Tropfen sollte Dosierspray angewendet werden, das ist effektiver zu dosieren. Zur Sicherheit kann die Schwangere das Spray in der Säuglingsdosierung anwenden.
Die Informationsplattform Embryotox beurteilt abschwellende Nasensprays mit Dekongestiva wie folgt:
„Hinweise auf eine mögliche teratogene Wirkung haben sich bei weit verbreitetem Einsatz in der Schwangerschaft und in Studien mit insgesamt über 460 Schwangerschaften nicht ergeben. Diese sind aufgrund der bei normaler Anwendung allenfalls gering resorbierten Menge auch nicht zu erwarten. Diskussionen zu schädigenden Effekten durch eine vasokonstriktorische Wirkung sind nicht eindeutig belegt.“
Alternativ kann die Schwangere Nasenspray mit Meersalz verwenden. Eine neuartige Zubereitung enthält Ektoin. Diese osmotisch wirkende Substanz wird auf Mikroorganismen und bindet Feuchtigkeit. Es wirkt zellschützend, entzündungshemmend, befeuchtend, wasserbindend, pflegend und membranstabilisierend.
Die Frage, ob und welche Arzneimittel grundsätzlich in der Schwangerschaft eingenommen werden können, ist nicht leicht zu beantworten. Schadet eine Erkältung dem ungeborenen Kind? Wenn als Symptom Fieber auftritt, möglicherweise ja.
Mütterliche Berichte über Erkältung oder Grippe mit Fieber waren signifikant mit mehr Geburtsfehlern (Anenzephalie, Spina bifida, Enzephalozele, Lippenspalte mit oder ohne Gaumenspalte, Nierenschäden, Endgliedschäden) oder weiteren Komplikationen verbunden.
Eine Studie wertete Daten aus der National Birth Defects Prevention Study aus. Es wurde an über 17.000 Müttern untersucht, ob Fieber schwerwiegende strukturelle Geburtsfehler hervorrufen kann. Das Risiko einer fetalen Schädigung bei mütterlichem Fieber ist bis um das Vierfache erhöht.
Die Autoren einer weiteren Studie gehen davon aus, dass Fieber während der gesamten Dauer der Schwangerschaft auch mit dem Auftreten von Autismus und einer verzögerten Entwicklung des Kindes in Verbindung gebracht werden kann.
Die erste Maßnahme bei Fieber sind Wadenwickel mit lauwarmem (!) Wasser. Die Wassertemperatur sollte etwa 10 Grad unter der Körpertemperatur liegen. Sind die Extremitäten kalt oder hat die Schwangere Schüttelfrost, sollten Wadenwickel nicht angewendet werden.
Von diesem Hausmittel darf man allerdings nicht zu viel erwarten. Eine Temperatursenkung von 0,5 Grad ist ein gutes Ergebnis. Die Thermoregulation funktioniert bei Erwachsenen anders als bei Kindern. Erwachsene frieren bei Fieber, Kinder schwitzen. Erwachsene sollen warmen Tee, Kinder kalte Getränke zu sich nehmen.
Schmerzmittel und Fiebersenker wie Ibuprofen und Diclofenac dürfen nur in den ersten beiden Schwangerschaftsdritteln eingenommen werden, da es im letzten Trimenon ansonsten zu einem vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus botalli mit der Folge von pulmonaler Hypertonie beim Neugeborenen kommt.
Paracetamol ist während der gesamten Schwangerschaft laut Embryotox Mittel der Wahl. Zu diesem Wirkstoff wurden jedoch zahlreiche Studien veröffentlicht, die davor warnen, dass auch eine seltene Einnahme das Risiko des Feten für Neurodermitis, ADHS, Sprachentwicklungsstörungen und Asthma erhöht. Die Studienlage ist jedoch nicht eindeutig. Gibt es alternative, risikofreie Schmerz- und Fiebersenker? Leider nein.
Bei Spannungskopfschmerzen kann eine alkoholische Lösung mit Pfefferminzöl (Euminz®) auf die Schläfen und Nacken aufgetragen werden. Die Wirksamkeit ist hinreichend dokumentiert.
Die Aussagen zu hustenstillenden oder -lösenden Wirkstoffen sind in der Fachliteratur nicht einheitlich. So sollten der Einsatz von Dextrometorphan gegen Reizhusten, Acetylcystein oder Bromhexin als Hustenlöser laut Fachinformationen in der Schwangerschaft nur in Ausnahmefällen und nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité Berlin kommt dagegen zu der Aussage, dass Dextromethorphan in allen Phasen der Schwangerschaft als Antitussivum eingesetzt werden kann.
Diverse Leitlinien empfehlen wegen kaum erwiesener Wirkung keinen Schleimlöser. Lediglich Phytopharmaka mit Myrtol, Cineol oder Kombipräparate mit Primelextrakten werden positiv bewertet.
Zu Phytopharmaka findet man in den Packungsbeilagen häufig die Aussage, dass sie aufgrund unzureichender Datenlage für Schwangere nicht empfohlen werden. Dagegen hält Embryotox die Anwendung von Thymian- und Efeu-Extrakten (mit Ausnahme alkoholhaltiger Zubereitungen) für akzeptabel, obwohl systematische Studien zur Verträglichkeit in der Schwangerschaft fehlen.
Soweit möglich ist abwarten und Teetrinken sowie Ruhe sicherlich die erste Wahl. Das Trinken größerer Mengen Salbeitees sollte hingegen vermieden werden, weil es zu vorzeitigen Wehen führen kann.
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