Viele Schüler schliefen früher mit einem Vokabelheft unter dem Kopfkissen, um das Wissen quasi im Schlaf zu erlernen. Ein Aberglaube? Nicht ganz, denn bereits ein kurzes Nickerchen kann helfen, zuvor Gelerntes ins Langzeitgedächtnis zu transferieren.
Ein kurzer Schlaf von etwa einer Stunde kann die Gedächtnisleistung deutlich erhöhen. In einer Studie mussten 41 Probanden Wörter und Wortpaare lernen. Anschließend wurde der Lerninhalt geprüft. Nach dieser ersten Prüfung schlief etwa die Hälfte der Teilnehmer, die andere Hälfte schaute eine DVD. Nach dem Schlaf hatte die Hälfte der Teilnehmer, die ein Nickerchen gehalten hatte, noch deutlich mehr Wortpaare im Gedächtnis als die Kontrollgruppe der DVD-Schauer.Kontrollgruppe der DVD-Schauer. Die Neuropsychologin Sara Studte hat mit ihrem Doktorvater Axel Mecklinger und ihrer Kollegin Emma Bridger untersucht, wie sich ein Nickerchen, neudeutsch „Power Nap“, auf die Gedächtnisleistung auswirkt. Ihr Ergebnis ist eindeutig: „Bereits ein kurzer Schlaf von 45 bis 60 Minuten verbessert das Gedächtnis um den Faktor fünf“, erklärt Axel Mecklinger.
Präziser gesagt, verbessert sich nicht die Gedächtnisleistung, sondern sie verschlechtert sich im Vergleich nicht. „Die Kontrollgruppe, die DVDs geschaut hat, während die andere Gruppe geschlafen hat, konnte sich anschließend deutlich schlechter an die zuvor gelernten Wortpaare erinnern als die Schlafgruppe. Diese wiederum zeigte nach dem Power Nap genauso gute Erinnerungsleistungen wie vor dem Schlaf, also gleich nachdem die Begriffe gelernt wurden“, so Axel Mecklinger. Vor allem der Hippocampus stand dabei im Fokus. In dieser Hirnregion wird zuvor Erlerntes ins Langzeitgedächtnis überführt und so zu Erinnerungen gemacht. „Wir haben dazu die sogenannten Schlafspindeln untersucht, die eine wichtige Rolle bei der Konsolidierung von Erinnerungen während des Schlafens spielen“, erklärt Sara Studte. „Wir vermuten, dass genau in diesen Phasen bestimmte Gedächtnisinhalte, insbesondere solche die zuvor ‚getagged‘, also markiert wurden, bevorzugt konsolidiert werden“, so Axel Mecklinger. Das bedeutet, dass neu erlernte Dinge im Gedächtnis mit einem Etikett versehen werden, durch das man sie später leichter wieder findet. Kurz: Man erinnert sich an etwas. Und zwar umso besser, je mehr Schlafspindeln zuvor im EEG aufgetreten sind.
Um auszuschließen, dass sich die Probanden ausschließlich aufgrund von Vertrautheitsgefühlen an die gelernten Dinge erinnern, haben die Forscher einen Trick angewendet: Die Teilnehmer mussten nicht nur 90 einzelne Wörter lernen, sondern auch 120 Wortpaare, und zwar solche, die keinen Sinn ergeben. „Ein solches Wortpaar ist zum Beispiel ‚Milch-Taxi‘. Ein Vertrautheitsgefühl nützt in dem Fall also gar nichts, wenn sich die Probanden an die Wörter erinnern sollten, denn es ergibt keinen Sinn, sie haben die Wortkombination zuvor noch nie gehört. Sie müssen also auf das spezifische Gedächtnis für die jeweilige Episode im Hippocampus zurückgreifen“, erklärt Axel Mecklinger die Methode. Ein Fazit, das die Forscher aus der Studie ziehen können, ist eindeutig: „Schon ein kurzer Mittagsschlaf im Büro oder ein Nickerchen in der Schule verbessern den Lernerfolg signifikant. Daher sollte überall dort, wo man lernt, ernsthaft über die positive Wirkung des Schlafs nachgedacht werden“, sagt Axel Mecklinger. Das funktioniert auch, ohne dass man sich sperrige Bücher unters Kopfkissen legt. Konzentriertes Lernen und ein kurzer, erholsamer Schlaf reichen bereits völlig aus. Originalpublikation: Nap sleep preserves associative but not item memory performance Sara Studte et al.; Neurobiology of Learning and Memory, doi: 10.1016/j.nlm.2015.02.012; 2015