Noch immer wird der Pseudomedizin zu viel Platz eingeräumt – nicht nur Heilpraktiker sind dafür verantwortlich, sondern auch Ärzte. Das habe ich mal wieder in der Apotheke erlebt.
Ein junges Pärchen kam mit ihrem Neugeborenen in die Apotheke. Als sie an der Reihe waren, drückten sie mir ein grünes Rezept in die Hand.
Grüne Rezepte sind in der Regel Empfehlungen der Ärzte, die von den Krankenkassen meistens nur dann erstattet werden, wenn der Arzt etwas Pflanzliches oder Homöopathisches empfohlen haben. Für Ersteres habe ich Verständnis, für Letzteres nicht.
Da es sich also nur um eine Empfehlung handelt, kann ich auch etwas anderes empfehlen. Das mache ich vor allem dann, wenn ich erst auf den zweiten Blick erkennen kann, dass die Empfehlung von einem Arzt und nicht von einem Heilpraktiker kommt.
Wäre das Rezept hingegen rosa, also ein Kassenrezept, dann würde die Sache schon wieder anders aussehen. In dem Fall könnte ich aufgrund der Therapiehoheit des Arztes nicht vom verordneten Arzneimittel abraten, leider auch dann nicht, wenn der Arzt etwas Homöopathisches aus dem Reich der Pseudomedizin verordnet hat.
Als ich sah, was auf dem grünen Rezept stand, war mir klar, dass ihnen entweder nicht bewusst war, was ihnen da empfohlen wurde. Oder dass sie selbst zur Fraktion der Schwurbler gehörten.
Als seriöser Apotheker möchte ich generell keine Firmen unterstützen, die meinen, dass die Naturgesetze nicht für ihre Produkte gelten. Und als Gegner der Pseudomedizin konnte ich das natürlich auch nicht ignorieren.
Also sprach der Apotheker:
„Ihnen ist klar, dass es sich hierbei um anthroposophische Zäpfchen handelt?“
Ja, das wäre ihnen klar. Behaupteten sie zumindest. Doch das hielt sie nicht davon ab, es trotzdem kaufen zu wollen.
„Ist Ihnen auch klar, dass da geringe Mengen Tabak und Tollkirsche mit drin sind?“
Nein, das hingegen war ihnen nicht klar. Ich erklärte, dass sich zwar nur geringe Mengen davon in den Zäpfchen befinden, aber der Zusatz dennoch unnötig sei.
In einem Zäpfchen befinden sich 0,5 mg Tabak in einer D4-Potenz und 0,5 mg Tollkirsche in einer D2-Potenz.
Nur: Warum zum Teufel muss ich einem Säugling rektal geringe Mengen Tabak und Tollkirsche verabreichen, wenn sie nicht zur Wirkung beitragen? Und angenommen, wir würden die unsinnige Lehre der anthroposophischen Medizin glauben, warum zum Teufel liegt bei einem Säugling eine Disharmonie der Wesensglieder vor?
Während Kümmel einen Effekt bei Blähungen haben könnte, werden der Tabak und die Tollkirsche nur deshalb hinzugegeben, weil es eben der spirituellen und esoterischen Weltanschauung des Rudolf Steiners entsprach. Jener Person, der wir auch die Waldorfschulen zu verdanken haben. Ich tanze ein großes Dankeschön.
Meine Worte zeigten letztlich Erfolg und sie baten mich um eine Alternative. Ich verkaufte ihnen ein Pump-Liquid mit Simeticon als Wirkstoff.
„Da werden wir nochmal mit der Ärztin reden müssen, warum sie uns so einen Quatsch aufschreibt!“
Ja, das sollten sie vielleicht wirklich tun.
Mehr kann ich als Apotheker nicht wollen, als ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass in der Medizin der Pseudomedizin zu viel Platz zugeteilt wird. Die Ärztin hätte genauso gut eine Alternative empfehlen können, die nicht aus dem Reich der Fantasie entsprungen ist. Hat sie aber nicht.
Es wird Zeit, dass sich das ändert.
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