Bei Adipositas werden mehr Zytokine im Fettgewebe produziert und ins Blut abgegeben als bisher angenommen. Auch bei adipösen Menschen kann die Produktion der entzündungsfördernden Signalstoffe durch regelmäßige Bewegung gesenkt werden.
Die bei Adipositas häufig vorliegenden entzündlichen Prozesse im gesamten Körper bedeuten ein größeres Risiko, an Diabetes oder Herz-Kreislauf-Leiden zu erkranken. Die Forscher des IFB, der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Leipzig, sowie der Ludwigs-Maximilians-Universität München und der australischen Universität von Tasmanien maßen bei 200 adipösen und normalgewichtigen Studienteilnehmern die Zytokinspiegel im Blut sowie die exakte körperliche Aktivität und den Energieverbrauch. „Das Besondere an der Studie ist, dass wir erstmalig Blutkonzentrationen von bestimmten Zytokinen gemessen haben, für die bislang nur eine Rolle für entzündliche Erkrankungen wie Asthma, nicht aber für die Adipositas und ihre Folgeerkrankungen bekannt war. Jetzt können wir uns besser erklären, warum solche Krankheiten häufiger bei adipösen Patienten auftreten“, unterstreicht der Psychiater und Adipositasforscher Prof. Dr. Hubertus Himmerich. Bei normalgewichtigen Probanden lagen die Spiegel von Zytokinen wie dem Interleukin-5 und dem Interleukin-13 niedriger als bei adipösen Personen; am höchsten waren die Werte einiger Zytokine bei bauchbetonter Adipositas.
Bekannt ist bereits, dass große Mengen von Fettgewebe im Bauchraum mit verstärkten Entzündungszeichen und folglich mit einer höheren Neigung zu Stoffwechselstörungen, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden sind. Bei adipösen Studienteilnehmern, die sich viel bewegten, wurden niedrigere Zytokinwerte gemessen als bei Bewegungsmuffeln. Diese Forschungsergebnisse machen deutlich, wie vermehrte körperliche Aktivität vor den schweren Folgekrankheiten starken Übergewichts schützen kann. Ein weiterer therapeutischer Ansatz könnte in der Blockierung von Zytokinen durch spezielle Medikamente liegen, ähnlich wie es heute bereits bei Autoimmunerkrankungen geschieht.
Eine erhöhte Zytokinproduktion kann auch zur Entstehung von Depressionen beitragen, da Zytokine Einfluss auf Botenstoffe des Gehirns haben. So senken sie etwa die Produktion von Serotonin. Ein Mangel dieses Nervenbotenstoffs gilt deswegen als eine der Ursachen von Depressionen. Forschungsergebnisse des IFB zu Zytokinspiegeln bei gesunden und depressiven Studienteilnehmern zeigten erhöhte Werte bei letzteren. Depressive Patienten, die zusätzlich adipös sind, zeigen die höchsten Konzentrationen bestimmter Zytokine. „Die größere Ausschüttung der Zytokine im Fettgewebe könnte also mit erklären, warum adipöse Menschen häufiger an Depressionen erkranken als normalgewichtige“, so Himmerich. Dies kann auch auf einen Zusammenhang zwischen der Zunahme der Adipositas und der Depressionen in der Bevölkerung hinweisen. Das übermäßige Fettgewebe bei Adipositas beeinträchtigt darüber hinaus den Stoffwechsel, Energiehaushalt und das Hungergefühl des Menschen durch spezielle Botenstoffe des Fettgewebes, die Adipokine genannt werden; einige davon zählen zu den Zytokinen. Neben den bekannten Folgeleiden starken Übergewichts wie Gelenkleiden, Diabetes, Bluthochdruck oder Fettleber gibt es also eine wachsende Zahl von Erkrankungen, die mit Adipositas zusammenhängen. Die Erforschung dieser Zusammenhänge ist Voraussetzung für verbesserte Präventions- und Therapiemaßnahmen. Originalpublikation: Inflammatory Cytokines in General and Central Obesity and Modulating Effects of Physical ActivityHubertus Himmerich et al.; PLOS One, doi: 10.1371/journal.pone.0121971; 2015