Eine antithrombotische Therapie für klinisch stabile, aber symptomatische ambulante COVID-19-Patienten bringt offenbar keinen Nutzen. Das Ergebnis einer randomisierten Studie überrascht.
Weder Aspirin® noch Apixaban verringerten darin die ohnehin schon sehr niedrigen Raten schwerwiegender unerwünschter kardiopulmonaler Folgen im Vergleich zu Placebo. Beide erhöhten die Blutungsneigung zudem nur geringfügig, berichten die Forscher um Dr. Jean Connors vom Brigham and Women's Hospital, Boston, USA in ihrer Studie, die in JAMA veröffentlicht wurde.
In die Studie sollten 7.000 ambulante Patienten mit klinisch stabilem, aber symptomatischem COVID-19 aufgenommen werden. Die Studie wurde jedoch wegen unerwartet niedriger Ereignisraten vorzeitig abgebrochen, nachdem nur 657 Patienten (Durchschnittsalter 54 Jahre; 59 % Frauen) rekrutiert worden waren. Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip in vier Gruppen eingeteilt und sollten 45 Tage lang behandelt werden:
Gruppe 1 erhielt Placebo, Gruppe 2 Aspirin 81 mg pro Tag, Gruppe 3 erhielt Apixaban in prophylaktischer Dosierung 2,5 mg zweimal täglich und Gruppe 4 erhielt Apixaban in therapeutischer Dosierung 5,0 mg zweimal täglich.
Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus Gesamtmortalität, symptomatischen venösen oder arteriellen Thromboembolien, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krankenhausaufenthalt aufgrund von Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen nach 45 Tagen. Nach der Beurteilung der 558 Patienten, die mit der Behandlung begannen, wurden in allen vier Gruppen nur drei Endpunkt-Ereignisse beobachtet: eine kardiopulmonale Krankenhauseinweisung mit prophylaktisch verabreichtem Apixaban und zwei mit therapeutisch verabreichtem Apixaban. Die Ereignisraten unterschieden sich nicht zwischen den Studienarmen. Allerdings gab es auch eine Untergruppe von Patienten (3,3 % der randomisierten Patienten), die vor der antithrombotischen Therapie wegen COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden.
Das Risiko für ein Blutungsereignis war in allen drei Behandlungsgruppen im Vergleich zu Placebo höher, wobei der Unterschied nur bei Apixaban in therapeutischer Dosierung signifikant war. In der Studie kam es zu keinen größeren Blutungen.
Das Ergebnis war unerwartet, da man davon ausging, dass die Behandlungen den sehr hohen Raten arterieller und venöser Thrombosen entgegenwirken würden, die im Rahmen einer akuten SARS-CoV-2-Infektion auftreten können. Das hatte man zu Beginn der Pandemie beobachtet. Warum das in dieser Studie nicht der Fall war, hängt wahrscheinlich mit den Veränderungen in der Art der Patienten zusammen, die im Verlauf der Pandemie von dem Virus betroffen waren, so die Autoren. So betraf die erste Infektionswelle vor allem ältere Menschen mit vielen Begleiterkrankungen, während die nachfolgenden Wellen immer jüngere Patienten mit weniger Risikomerkmalen trafen. Außerdem sank die Schwelle für die Aufnahme von Patienten mit COVID-19 im Laufe der Zeit, was wiederum das Risikoprofil und die Ereignisraten derjenigen senkte, die im ambulanten Bereich blieben.
„Die niedrige Ereignisrate und die neutralen Befunde in dieser Studie sollten nicht als Hinweis darauf verstanden werden, dass ambulante Patienten mit COVID-19 keine engmaschige medizinische Betreuung benötigen“, schreiben die Autoren. „Wie berichtet, wurden 3,3 % der randomisierten Patienten klinisch instabil und mussten während des durchschnittlichen Zeitraums von drei Tagen, bevor mit der Verabreichung des Studienmedikaments begonnen werden konnte, ins Krankenhaus eingeliefert werden.“
Zwei dieser Patienten starben während des 45-tägigen Beobachtungszeitraums an COVID-bedingtem Atemversagen, ein weiterer starb während der anschließenden 30-tägigen Nachbeobachtung. Die Autoren schreiben weiter: „Da bei diesen hospitalisierten Personen die Studientherapie nicht eingeleitet wurde, geben diese Ergebnisse keinen Aufschluss darüber, ob ein früherer Beginn einer prophylaktischen antithrombotischen Therapie für diese kleine Gruppe von Patienten von Vorteil gewesen wäre.“ Zumindest für den Großteil der stabilen ambulanten Patienten lässt sich offenbar auf eine antithrombotische Therapie mit Aspirin oder Apixaban verzichten.
Bildquelle: Hal Gatewood, unsplash