Ängste vor Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten halten immer noch Menschen von einer Impfung gegen COVID-19 ab. Das Resultat: Viele ungeimpfte Schwangere auf den Intensivstationen. Ein Blick auf die Fakten.
Immer noch sind einige Personen zurückhaltend mit der Impfung gegen COVID-19, darunter auch Schwangere oder Menschen mit Kinderwunsch. Könnte die Impfung wohlmöglich unfruchtbar machen? Oder gar schwere Folgen für das ungeborene Kind haben? Das RKI hat das Thema jetzt auch in seinem Katalog der häufig gestellten Fragen rund um COVID-19-Impfung aufgenommen. Denn insbesondere in der Gruppe der Schwangeren kann die Vorsicht schwerwiegende Folgen haben – wie Fälle in England zeigen.
Die STIKO spricht eine Impfempfehlung für ungeimpfte Schwangere ab dem 2. Trimenon sowie für ungeimpfte Stillende aus, wobei die Empfehlung bisher nur für die erhältlichen mRNA-Impstoffe Comirnaty und Spikevax gelten. Auch Frauen, die einen Kinderwunsch äußerten, sollten demnach vor der Schwangerschaft schon vollständig gegen COVID-19 geimpft sein. Wieso eine Impfung bei Schwangeren empfehlenswert ist, erklärt die STIKO auch in ihrem Fragenkatalog: Die Schwangerschaft stellt ebenfalls einen Risikofaktor für einen schweren COVID-19-Verlauf dar, der nicht nur die Mutter, sondern auch das ungeborene Kind betrifft. Zudem ist auch ein Transfer der Antikörper über die Plazenta zum Fetus nachgewiesen, jedoch ist derzeit nicht klar, ob dieser Schutz auch für das Neugeborene gilt.
In den vorherigen nicht-klinischen Studien, die vor der Zulassung der Impfstoffe durchgeführt wurden, konnten keine Hinweise auf eine Impf-assoziierte Unfruchtbarkeit durch einen der mRNA-Impfstoffe festgestellt werden. Zudem wurden zwar in der Zulassungsstudie von Comirnaty keine Schwangeren zugelassen, jedoch wurden 12 Frauen in der Verum-Gruppe und 11 Frauen in der Placebo-Gruppe über den Nachbeobachtungszeitraum von zwei Monaten schwanger. Es konnten dabei keine Unterschiede erfasst werden.
Ebenfalls interessant ist eine israelische Studie: Sie umfasst Daten zu 36 Paaren mit Kinderwunsch, die sich im Zeitraum der COVID-19-Impfung in Behandlung für künstliche Befruchtung befanden. Dazu wurden Dauer und charakteristische Parameter der ovariellen Stimulation, Anzahl und Qualität der gewonnen Eizellen sowie Spermienparameter vor und nach der Impfung miteinander verglichen. Die Auswertung zeigte, dass innerhalb des Beobachtungszeitraums von 7 bis 85 Tagen nach Erhalt der Impfung kein Unterschied zwischen den ermittelten Parameter bestand. Auch eine amerikanische Studie untersuchte die Spermienparameter in 45 Männern vor und nach der vollständigen Impfung mit einer mRNA-Impfung, wobei die Forscher ebenfalls keinen Unterschied feststellten (wir berichteten).
Wie jede Studie haben auch die genannten Studien ihre individuellen Limitierungen: Unter anderem eine kleine Probandengröße, ein kurzer Beobachtungszeitraum oder auch das Fehlen einer Kontrollgruppe. Auch wenn diese Limitierungen den Ruf nach dahingehender Forschung bestärken, weisen die bisherigen Studien sowohl auf eine hohe Impfsicherheit während einer Schwangerschaft hin als auch auf eine uneingeschränkte Fruchtbarkeit der Geimpften.
Aber wie kommt es zu diesen Fehlinformationen, die in diesem Internet kursieren? Einerseits berichteten viele Frauen über Zyklusverschiebungen nach Erhalt der Impfung (wir berichteten). Diese beobachteten Störungen sind jedoch vorrübergehend und nicht mit Unfruchtbarkeit verbunden, heißt es im RKI-Katalog. Ein weiterer Grund könnte das Antikörperprotein sein, das durch die COVID-19-mRNA-Impfung im Körper erzeugt wird. Dieses weist in einem sehr geringen Umfang eine strukturelle Ähnlichkeit mit dem Protein Syncytin-1 auf, das während der Schwangerschaft an der Plazentabildung beteiligt ist. Aber die Ähnlichkeit ist gering – um genau zu sein beschränkt sich die strukturelle Ähnlichkeit auf 0,75 Prozent der Aminosäuren, also auf 5 von 1.273 im Antikörperprotein bzw. von 538 im Syncytin-1-Protein.
Würde man jedoch der Logik folgen, dass die Impfung unfruchtbar macht, müsste dies auch für eine COVID-19-Infektion gelten, da es sowohl durch die Impfung als auch durch die Infektion zur Bildung von Antikörpern gegen das Spike-Protein des SARS-CoV-2 kommt. „Die Sorge um eine mögliche Unfruchtbarkeit nach einer COVID-19-Impfung ist also unbegründet“, heißt es im RKI-Fragenkatalog.
Laut aktueller Daten des National Health Service England sind ungeimpfte Schwangere ebenfalls stark von COVID-19-Infektionen betroffen: Sie machen demnach fast 20 Prozent der schwer erkrankten COVID-19-Patienten aus. Den Angaben zufolge wird eine von fünf Patienten und Patientinnen mit schweren COVID-19-Infektionen mit ECMO-Geräten oder Lungen-Bypässen künstlich beatmet. Innerhalb der Altersgruppe der 16- bis 49-jährigen Intensivpatienten machen die ungeimpften Schwangeren etwa 32 Prozent aus, also fast ein Drittel – im März 2020 lag der Wert noch bei 6 Prozent.
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„Wir fordern alle schwangeren Frauen dringend auf, sich zur Impfung zu melden. Es gibt belastbare Beweise dafür, dass der Impfstoff der wirksamste Weg ist, um Mutter und Kind vor einer möglichen schweren Erkrankung durch COVID-19 zu schützen“, sagt Dr. Edward Morris, Präsident des Royal College of Obstetricians and Gynaecologists. „Die überproportionale Zahl ungeimpfter Schwangerer auf der Intensivstation zeigt, dass in der Schwangerschaft ein erhebliches Risiko für eine schwere Erkrankung durch COVID-19 besteht.“
Nachsichtig fügt er hinzu: „Wir verstehen die Bedenken von Frauen, den Impfstoff während der Schwangerschaft zu bekommen, und wir möchten Frauen versichern, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Impfung und einem erhöhten Risiko für Fehlgeburten, Frühgeburten oder Totgeburten gibt.“
Bildquelle: Deon Black, unsplash