Kommunikation ist das A und O – auch für das Tumorwachstum. Wird sie gestört, kann dies den Tumor bekämpfen. Forscher haben nun einen Mechanismus entdeckt, der zur zellulären Kommunikation im Tumor beiträgt.
Das Funktionieren eines mehrzelligen Organismus erfordert die genaue Koordination aller beteiligten Zellen – in gesundem Gewebe ebenso wie in Tumoren. Die Kommunikation zwischen den Zellen ist dabei von wesentlicher Bedeutung und erfolgt über direkten zellulären Kontakt oder über Botenstoffe. Neueste Studien zeigen zudem, dass Zellen kleine extrazelluläre Vesikel, sogenannte Exosome mit einer Größe von 50 bis 200 Nanometern, in die Umgebung abgegeben, die wesentlich zur zellulären Kommunikation beitragen.
Lange Zeit wurde diesen Vesikeln wenig biologische Bedeutung beigemessen. Man ging davon aus, dass die Zellen damit überflüssige Moleküle entsorgen. Mittlerweile weiß man von der fundamentalen Bedeutung dieser Vesikel für die Regulation verschiedener physiologischer Prozesse und Krankheiten wie beispielsweise Krebs.
Bei der Kommunikation innerhalb der Zelle spielen besonders die in Exosomen enthaltenen mikroRNA (miRNA) eine wichtige Rolle. MikroRNA sind kleine Ribonukleinsäure-Moleküle, die eine zentrale Rolle bei der Regulation der Genexpression und der zellulären Proteinsynthese spielen.
In einem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojekt hat die Arbeitsgruppe um Dr. Meike Saul, Fachbereich Biologie der Technischen Universität Darmstadt, die physiologische Funktion von solchen exosomalen miRNA untersucht und konnte zuletzt mit ihren Untersuchungen zum Lungenkrebs einen großen Erfolg erzielen. Lungenkrebs ist weltweit die führende Ursache für krebsbedingte Todesfälle. Das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (non small cell lung cancer, NSCLC) ist dabei die häufigste Form des Lungenkarzinoms und macht etwa 80 Prozent aller Fälle aus.
Es ist bekannt, dass die meisten Fälle von nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom mit einer Überexpression des pro-inflammatorischen Lipidmediators Prostaglandin E2 (PGE2) einhergehen, der das Tumorwachstum stark fördert. Das Ausmaß, in dem entzündungs- und tumorfördernde Lipidmediatoren die Kommunikation per Exosom zwischen Zellen beeinflussen, wurde bisher noch nicht untersucht. In ihrer Studie hat Saul zum ersten Mal zeigen können, dass PGE2 die exosomale Sekretion der mikroRNA miR-574-5p aus Lungenkrebszellen signifikant steigert.
Das Team fand zudem heraus, dass diese miR-574-5p, die im Exosom transportiert wird, einen Immunrezeptor aktiviert, wodurch der PGE2-Spiegel sinkt. Innerhalb der Zelle dagegen stößt miR-574-5p die PGE2-Biosynthese an.
Die Studie zeigte: Eine Kombination aus intrazellulärer und exosomaler miR-574-5p steuert den PGE2-Spiegel über eine Rückkopplungsschleife. So lässt sich möglicherweise auch das Tumorwachstum beeinflussen.
Beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom werden verschiedene Subtypen unterschieden. Bei einem der häufigsten Typen, dem Adenokarzinom, konnte ein Einfluss der exosomalen miR-574-5p auf die PGE2-Biosynthese beobachtet werden. Das Forschungsteam um Saul führt dies auf die einzigartige Zusammensetzung unterschiedlicher Proteine auf der exosomalen Oberfläche zurück.
Mit dieser Studie konnten Saul und ihre Kolleginnen erstmalig zeigen, dass die Funktion einer miRNA innerhalb der Zelle gegensätzlich zu ihrer Funktion im Exosom sein kann. Abhängig vom Aufnahmemechanismus kann eine exosomale miRNA an unterschiedlichen Stellen innerhalb einer Zelle freigesetzt werden, was die Funktion der miRNA entscheidend beeinflussen kann.
Dieser neu entdeckte Zusammenhang zwischen miR-574-5p und PGE2 eröffnet eine neue therapeutische Möglichkeit für Lungenkrebs. „Die Ergebnisse geben die Grundlage für die Entwicklung innovativer und personalisierter Therapieansätze“, so Saul.
„Die Kombination von Standard-Krebstherapien mit Inhibitoren der PGE2-Synthese stellt eine vielversprechende Behandlungsstrategie dar.“ Zu den bekannten PGE2-Hemmern gehören zum Beispiel nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR). „Leider konnte die tumorhemmende Wirkung von PGE2-Inhibitoren nicht bei allen Tumorpatienten beobachtet werden“, sagt Saul. Dies sei auf die individuelle PGE2-Syntheserate der Erkrankten zurückzuführen. Ziel ist es daher, einen Biomarker zu finden, der Patienten identifiziert, die von der Gabe von PGE2-Inhibitoren profitieren könnten (Stratifizierungsmarker).
„Die miR-574-5p kann als Tumor- und Stratifikationsmarker dienen, um Lungentumorpatienten auszuwählen, die auf die pharmakologische Hemmung der PGE2-Biosynthese ansprechen. Wir führen zurzeit eine klinische Studie durch, um unsere Hypothese weiter zu validieren“, sagt Saul.Die Ergebnisse wurden kürzlich in der hochrangigen internationalen Fachzeitschrift Journal of Extracellular Vesicles publiziert.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Wilhelm-Sander-Stiftung. Die Originalpublikation findet ihr hier und im Text.
Bildquelle: Annie Spratt, unsplash