Wird der Nervenknoten an der Nasenwurzel mit einem Lokalanästhetikum betäubt, kann das nicht nur den akuten Migräneschmerz dämpfen, sondern auch die Migräneattacken in den folgenden Wochen deutlich in ihrer Intensität abmildern.
Für Migränepatienten gibt es Hoffnung: Wie ein Ärzteteam vom Albany Medical Center (Bundesstaat New York, USA) kürzlich berichtete, könnte eine neue Therapieform Migräne-Kopfschmerzen in Zukunft deutlich abmildern. Dabei wird das Lokalanästhetikum Lidocain über eine etwa Spaghetti-große Nasensonde direkt an das Ganglion pterygopalatinum (Flügelgaumenganglion) gebracht. Dieser Nervenknoten an der Nasenwurzel wurde bereits mit Migräne in Verbindung gebracht. Neu an diesem Ansatz ist die Applikation des Betäubungsmittels. Denn bereits in früheren Studien konnte der Nervenknoten erfolgreich betäubt und so das Kopfschmerzempfinden von Migränepatienten gemildert werden. Bisher waren dazu aber Injektionen nötig, die für die Patienten unangenehm und mit einem höheren Risiko verbunden waren. Die neue Applikation via Nasensonde ist minimalinvasiv unter Kontrolle bildgebender Verfahren und kommt ohne Nadel und Narkose aus – das ist für die Patienten deutlich angenehmer und sicherer.
An der Studie zur Wirksamkeit von Lidocain am Ganglion pterygopalatinum nahmen 112 erwachsene Patienten mit schweren Migräneanfällen oder Clusterkopfschmerzen teil. Vor der Behandlung litten die Patienten an mindestens 15 Tagen im Monat unter starken Kopfschmerzen, deren Intensität sie selbst durchschnittlich mit 8,25 von zehn Punkten einstuften. Bereits am Tag nach der Behandlung mit Lidocain (4 %) hatte sich das durchschnittliche Schmerzempfinden der Teilnehmer auf die Hälfte reduziert (4,10 auf der VAS Schmerz-Skala).
Auch 30 Tage nach der einmaligen Behandlung spürten die Patienten noch eine deutliche Verbesserung ihrer Kopfschmerzen. Das durchschnittliche Schmerzempfinden lag dann bei 5,25, das entspricht einer 36-prozentigen Verbesserung der Schmerzen verglichen mit dem Zustand vor der Behandlung. 88 Prozent der behandelten Patienten berichteten, vier Wochen nach der Behandlung mit Lidocain deutlich weniger oder gar keine Schmerzmittel mehr eingenommen zu haben. Bei sieben Patienten (6,3 %) schlug die Behandlung allerdings nicht an.
Doch warum wirkt das Lokalanästhetikum noch lange, nachdem seine betäubende Wirkung längst nicht mehr spürbar ist? „Die Applikation von Lidocain an das Ganglion pterygopalatinum wirkt wie ein Reset-Knopf für den Migräne Schaltkreis“, erklärt Studienautor Dr. Kenneth Mandato. „Selbst wenn die anfängliche Betäubung durch das Lidocain abklingt, hat der Migräneauslöser nicht mehr den gleichen, starken Effekt wie vor der Behandlung.“
Lidocain ist ein Natriumkanalblocker. Über die Blockade der potentialgesteuerten Na+-Kanäle hemmt der Arzneistoff die Schmerzauslösung. Ist der Migränezyklus einmal durchbrochen, erhalten die Patienten wieder mehr Lebensqualität zurück. Wie lange die Patienten tatsächlich von einer einmaligen Anwendung profitieren, soll eine Langzeitstudie nun klären. Da die Behandlung an sich minimalinvasiv und Lidocain im Allgemeinen gut verträglich sei, spräche grundsätzlich nichts dagegen, den Wirkstoff auch bei Bedarf wiederholt anzuwenden. Auch andere Lokalanästhetika will das Team aus Albany in einer zukünftigen Studie testen.
Trotz aller guter Hoffnungen, die diese Applikation für viele Betroffene mit sich bringt: Heilen lässt sich Migräne bisher nicht. Von der Betäubung durch die Nasensonde könnten aber diejenigen Patienten profitieren, bei denen herkömmliche Schmerzmittel nur unzureichende Linderung bringen und deren Lebensqualität durch die Migräneattacken erheblich eingeschränkt ist. Insgesamt leiden in Deutschland etwa acht Millionen Menschen unter Migräne. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer. Doch auch Kinder zählen bereits zu den Migränepatienten: Bei fünf Prozent aller Betroffenen treten erste Attacken schon vor der Pubertät auf. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört Migräne zu den 20 Leiden, die das tägliche Leben am meisten einschränken.
Die sogenannten Clusterkopfschmerzen sind durch extreme, streng einseitig auftretende Kopfschmerzattacken charakterisiert. Die Anfälle sind zwar meist kürzer als Migräneattacken, dafür aber umso heftiger. In Deutschland sind etwa 150.000 Menschen von immer wiederkehrenden Clusterkopfschmerzen betroffen. Die allermeisten Patienten sind während einer Clusterkopfschmerz-Attacke extrem unruhig. Das unterscheidet sie deutlich von den meist absolute Ruhe suchenden Migränepatienten.