Was haben Morbus Alzheimer und COVID-19 gemeinsam? Die Antwort könnte erklären, warum zu Beginn der Pandemie auffällig viele Alzheimer-Patienten schwer erkrankten.
Ein Londoner Forschungsteam hat ein Gen identifiziert, das das Risiko sowohl für die Alzheimer-Krankheit als auch für schweres COVID-19 beeinflusst. Die neue Studie baut auf früheren Arbeiten auf, in der die Forscher einen Zusammenhang zwischen der Oligoadenylatsynthetase 1 (OAS1) und der Alzheimer-Krankheit festgestellt haben.
Das OAS1-Gen wird auch in den Zellen der Mikroglia exprimiert, die etwa 10-15 % der Zellen im Gehirn ausmachen. Charakteristisch für die Alzheimer-Krankheit sind die Anhäufung von Amyloid-Plaques und TAU-Geflechten im Gehirn, aber immer mehr Forschungsergebnisse zeigen, wie das Immunsystem, und insbesondere Entzündungen, dazu beitragen.
„Die Alzheimer-Krankheit ist zwar in erster Linie durch eine schädliche Anhäufung von Amyloid-Proteinen im Gehirn gekennzeichnet, aber es gibt auch umfangreiche Entzündungen im Gehirn, die die Bedeutung des Immunsystems bei der Alzheimer-Krankheit unterstreichen“, erklärt Hauptautor Dr. Dervis Salih. „Wir haben festgestellt, dass einige der gleichen Veränderungen des Immunsystems sowohl bei der Alzheimer-Krankheit als auch bei COVID-19 auftreten können.“
Um den Zusammenhang zwischen dem Gen und der Alzheimer-Krankheit weiter zu untersuchen, sequenzierten sie die genetischen Daten von 2.547 Personen, von denen die Hälfte an der Alzheimer-Krankheit erkrankt war. Die Forscher fanden heraus, dass die Varianten rs1131454(A) und rs4766676(T) mit einer Erkrankung am Morbus Alzheimer assoziiert sind: Die Variante rs1131454(A) erhöhte das Erkrankungsrisiko um 11 bis 22 %.
Das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf wird durch 2 andere Varianten – rs10735079(A) und rs6489867(T) – erhöht. Es könnte allerdings sein, dass sie gemeinsam mit den beiden anderen Varianten vererbt werden. Das könnte erklären, warum Menschen, die aufgrund einer Störung der Immunabwehr im Alter häufiger an Morbus Alzheimer erkranken, auch ein erhöhtes Risiko auf einen schweren Verlauf von COVID-19 haben.
Im Rahmen derselben Forschungsarbeit untersuchten die Forscher in Laborexperimenten auch, welche Folgen der Ausfall des Enzyms OAS1 hat. Mikrogliazellen, in denen das Gen schwächer exprimiert wurde, zeigten eine übertriebene Reaktion auf Gewebeschäden und lösten einen Zytokinsturm aus. Bei Alzheimer-Patienten sorgt der Ausfall des Enzyms offenbar zur vermehrten Ablagerung von Amyloiden und Tau-Fibrillen.
„Wenn wir eine einfache Methode entwickeln könnten, um auf diese genetischen Varianten zu testen, dann könnten wir feststellen, welche COVID-19-Patienten ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf haben“, sagt Dr. Salih. „Ebenso hoffen wir, dass unsere Forschung in die Entwicklung eines Bluttests einfließen könnte, mit dem sich feststellen lässt, ob jemand ein Risiko hat, an Alzheimer zu erkranken, bevor er Gedächtnisprobleme zeigt.“
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