Membranlipide spielen eine Schlüsselrolle bei der Neurotransmission. Jetzt haben Forscher gravierende Unterschiede in der Lipid- und Proteinkomposition in den Gehirnen von Nagetieren gefunden – und zwar abhängig von der Lebensweise.
Für die Untersuchungen wurden Multiomics genutzt - ein systembiologischer Ansatz, der es erlaubt, verschiedene Molekülklassen aus der gleichen Probe zu bestimmen. „Das ist technisch sehr aufwendig und wird deshalb nur von wenigen Laboren weltweit gemacht. Damit konnten wir gleichzeitig schauen, welche Proteine und Lipide in den synaptischen Membranen vorhanden sind“, so die beiden Studienleiter Dr. Michael R. Kreutz, Arbeitsgruppenleiter am LIN und am ZMNH in Hamburg, und Prof. Dr. Robert Ahrends von der Universität Wien. Außerdem wurde untersucht, inwiefern sich die Lipid- und Proteinzusammensetzung je nach Lebensweise der Tiere unterscheidet.
In den Hippocampi von Mäusen und Ratten konnten über 400 verschiedene Lipide nachgewiesen werden. „Das ist mehr als wir erwartet haben“, so Ahrends. „Interessant war außerdem, dass sich der Lipidstoffwechsel und die Signalübertragung bei den Nagern unterschieden – je nach Umgebung, in der sie gehalten wurden.“ Die Tiere lebten entweder in einer Standardumgebung oder in einer angereicherten Umgebung, in der es mehr Beschäftigungsmöglichkeiten, soziale Interaktionen, Material für den Nestbau und eine Behausung gab. Mäuse in der angereicherten Umgebung lernten schneller, hatten ein besseres Gedächtnis und zeigten sich gegenüber ihren Artgenossen empathischer.
Bei der Analyse der Multiomics-Daten entdeckten die beiden Forscher einen möglichen Zusammenhang zwischen dem veränderten Verhalten und dem Endocannabinoidsystem im Hippocampus. Endocannabinoide sind Cannabis-ähnliche Lipide, die vom Körper selbst produziert werden und die die synaptische Plastizität im Gehirn beeinflussen. Kreutz erläutert: „In unserer Studie haben wir gesehen, dass ein Enzym für den Stoffwechsel von Endocannabinoiden nicht mehr an Synapsen lokalisiert ist. Dies geht einher mit veränderten Endocannabinoid-Signalwegen. Das Enzym hat aber auch eine zweite Funktion an der Synapse: Es reguliert die Expression von wichtigen Rezeptoren an der Oberfläche der synaptischen Zellmembran. Damit nimmt es direkten Einfluss auf die synaptische Plastizität.“
Diese langanhaltenden synaptischen Prozesse könnten ein wesentlicher Mechanismus sein, mit dem eine reizangereicherte Umgebung mit stimulierenden Umwelteinflüssen die kognitive Leistung verbessert.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Neurobiologie. Die Originalstudie findet ihr hier.
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