Zu Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie hofften viele Nationen, auch Deutschland, auf den russischen Impfstoff. Doch es wurde still um Sputnik V. Was ist aus ihm geworden?
Deutschland, Frühjahr 2021. Impfstoffe waren knapp, doch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte eine Idee. Er wollte bis zu 2,5 Millionen Dosen des russischen Vakzins Sputnik erwerben. Mecklenburg-Vorpommern sicherte sich ebenfalls eine Option. Das bayerische Gesundheitsministerium bestätigt, solche Absichtserklärungen würden bis heute gelten. Auch eine Produktionsstätte von R-Pharm Germany in Illertissen scheint zum Greifen nah. Doch aus der Euphorie ist Ernüchterung geworden.
Zum Hintergrund: Sputnik für „Weggefährte“ oder „Begleiter“. Das „V“ soll auf „victory“ („Sieg“) hindeuten. Der Vektorvirus-Impfstoff wurde am Gamaleja-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie entwickelt; Hersteller ist Biocad.
Es handelt sich um einen Vektorvirus-Impfstoff, der anders funktioniert als die Vektor-basierten Vakzine von Johnson & Johnson oder AstraZeneca. Grundlage von Sputnik V sind das Adenovirus Typ 26 (rAd26) und das Adenovirus Typ 5 (rAd5). Beide tragen ein Gen für das Spike-Protein. Patienten erhalten rAd26 bei der Erstimpfung und rAd5 bei der Booster-Impfung. Ziel dieser Strategie ist, mögliche Immunitäten gegen Vektorviren zu umgehen.
Gerade während des klinischen Entwicklungsprogramms von Sputnik V wurden in Medien unterschiedliche Daten kolportiert. Wissenschaftler beziehen sich bei der Bewertung vor allem auf eine Veröffentlichung in The Lancet.
Zwischen dem 7. September und dem 24. November 2020 wurden 21.977 Erwachsene nach dem Zufallsprinzip der Impfstoffgruppe (n=16.501) oder der Placebogruppe (n=5.476) zugeteilt. 19.866 Probanden erhielten zwei Dosen des Impfstoffs oder des Placebos und wurden in die primäre Ergebnisanalyse einbezogen. Die Wirksamkeit des Impfstoffs betrug laut Paper 91,6%. Unerwünschte Ereignisse waren meist leicht.
Wissenschaftler kritisierten, Rohdaten seien nicht veröffentlicht worden. Sie bemängelten auch methodische Schwächen bei der Phase-3-Studie. Aus ähnlichen Gründen gab es schon Gegenwind zu Daten der Phase-1/2-Studie.
Sputnik V wurde zwischen August 2020 und August 2021 weltweit in mehr als 70 Ländern zugelassen – aber nicht in der Europäischen Union oder in den USA. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat im März 2021 eine fortlaufende Überprüfung, bekannt als Rolling Review, gestartet.
„Bislang ist es dem Hersteller nicht gelungen, genügend valide Daten zu liefern, um die Sicherheit nachzuweisen“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Auch die USA wartet ab. Und der russische Außenminister Sergej Lawrow wird mit der Aussage „Nach unseren Informationen gibt es keine Einwände gegen den Impfstoff und seine Wirksamkeit“ in der Zeit zitiert. Bleibt abzuwarten, wann sich die EMA beziehungsweise die FDA positionieren wird. Ähnlich zurückhaltend äußerte sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie wünscht sich ebenfalls Daten, bevor sie grünes Licht für eine Notfallzulassung erteilt.
Als Vermutung bleibt, der verwendete Ad5-Vektor könnte noch replikationskompetent sein; DocCheck berichtete. Sprich: Im Körper könnten sich Adenoviren vermehren. Und nicht zu vergessen: Nachdem Sinusvenenthrombosen sowohl bei Johnson & Johnson als auch bei AstraZeneca beobachtet worden sind, also zwei zugelassenen Vektorvirus-Impfstoffen, liegt die Vermutung nahe, es könnte sich um einen Effekt aller Vektor-basierten Vakzine handeln.
Bleibt als Frage, welche Bedeutung Sputnik V aktuell hat. Die Antwort ist komplex. In vielen Ländern Afrikas und Südamerikas fehlt Menschen der Zugang zu einem SARS-CoV-2-Vakzin. Hier erfüllt Sputnik V wichtige Aufgaben – davon zeugen auch die Zulassungen außerhalb Europas oder Nordamerikas. Die Not ist groß, aber Sicherheit und Wirksamkeit sollten dennoch evaluiert werden.
Deutschland braucht das Vakzin derzeit nicht. Impfstoffe gibt es zur Genüge; tausende Dosen mussten schon vernichtet werden. Impfmüdigkeit ist zum Problem geworden, nicht Impfstoff-Knappheit.
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