Chronische lymphatische Leukämie ist die häufigste Leukämie-Form im Erwachsenenalter. Für die individuelle Therapie ist eine genaue Analyse des Tumorgenoms nötig. Dazu liegt nun eine umfassende Arbeit vor.
Ein internationales Team um Dr. Johannes Bloehdorn, Assistenzarzt an der Klinik für Innere Medizin III des Universitätsklinikums Ulm, und weitere Experten, hat erstmals mehr als 700 Tumoren von Patienten mit chronische lymphatischer Leukämie (CLL) umfassend molekular charakterisiert. Die Studie wurde nun im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht.
Für die Arbeit testete das Forscherteam bösartige Tumore genomweit auf chromosomale Defekte und Mutationen. Zusätzlich wurde durch die Analyse der Tumor-RNA die Aktivität aller Gene gemessen. Die Analyse dieser umfassenden und komplexen Daten zeigt, dass sich CLL-Tumoren in funktionale Gruppen unterteilen lassen, die unterschiedliche molekulare Eigenschaften aufweisen. Diese Erkenntnisse haben direkten Einfluss auf Prognose und Therapie. „Die Einteilung der Tumoren dient nun als Grundlage für die Entwicklung neuer prognostischer Modelle und Therapieoptionen, möglicherweise über die CLL hinaus“, sagt Daniel Mertens, Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ).
Insgesamt konnte das Forscherteam CLL-Tumoren in vier Gruppen klassifizieren. Darunter ist beispielsweise eine Gruppe von CLL-Tumoren, die eine Instabilität des Genoms aufweist. Diese Instabilität kann ebenfalls durch einen Funktionsverlust bestimmter Gene hervorgerufen werden, die beispielsweise die Reparatur von DNA-Schäden regulieren und bei einer Vielzahl anderer bösartigen Erkrankungen beteiligt sind. Eine weitere Gruppe von CLL-Tumoren besitzt eine spezifische Genfunktion, die im Zusammenhang mit einer erhöhten Mobilität der CLL-Zellen steht. „Diese erhöhte Mobilität ist interessant, weil die neuesten Therapien CLL Zellen aus schützenden Nischen mobilisieren und die CLL Zellen ohne diese Unterstützung absterben“, erklärt Bloehdorn.
Eine weitere Unterteilung von CLL-Tumoren ist aufgrund der unterschiedlichen Aktivierung von Genen möglich, die bei Entzündungsprozessen eine Rolle spielen. Bei der Aktivierung der Gene sind Signalwege beteiligt, die zur Freisetzung von Botenstoffen führen, die wiederum die Reaktion des Immunsystems auf den Tumor negativ beeinflussen können. „Wir wissen bereits, dass bei CLL-Patienten vor allem die T-Zellen erschöpft sind und nicht mehr gegen CLL-Zellen aktiv werden können“, sagt Prof. Stephan Stilgenbauer, arztlicher Direktor des Comprehensive Cancer Center Ulm (CCCU). Diese molekulare Subklassifizierung macht nun die Entwicklung spezifischerer prognostischer Modelle und neuer Therapieoptionen bei CLL möglich.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Ulm. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Andrew Seaman, Unsplash