Das Todesröcheln ist ein Phänomen, das schon Tage vor dem Ableben auftreten kann – für Angehörige ist das extrem belastend. Eine Studie zeigt jetzt, dass das Röcheln mit einem altbekannten Medikament reduzierbar ist.
Bei Sterbenden ist das Todesröcheln eines der Symptome, die den nahen Tod ankündigen. Es kann Stunden bis Tage vor dem Ableben auftreten. Wenn es ausgeprägt oder langanhaltend ist, kann es für Angehörige oder andere Betreuungspersonen unter Umständen sehr belastend sein. Es gilt als Konsens, dass das Todesröcheln nicht mit Schmerzen oder anderem Unbehagen auf Seiten des Sterbenden assoziiert ist. Abschließend bewiesen ist das allerdings nicht.
Was ist das Todesröcheln überhaupt? Es entsteht wahrscheinlich durch die Bewegung der Atemluft über Sekrete, die im Mund-Rachen-Raum und in den Hauptbronchien nicht mehr optimal abtransportiert oder abgehustet werden. Das ist ziemlich häufig: Unterschiedliche Studien beschreiben einer Prävalenz bei Sterbenden von bis zu 92 Prozent, nicht immer gleich ausgeprägt allerdings.
Zur Herausforderung für die Sterbebegleitung wird das Todesröcheln dann, wenn es für die Betreuenden als nicht erträglich angesehen wird. Dann wird versucht, es zu reduzieren, ohne wiederum mit den Maßnahmen den Sterbenden zu belasten. Eine Absaugung wird deswegen von den meisten abgelehnt, sie gilt ohnehin als nicht sehr effektiv. Seitlage oder halbe Bauchlage können helfen, auch eine Begrenzung der Flüssigkeitsaufnahme.
Eine Alternative sind medikamentöse Maßnahmen. Scopolamin, Glycopyrrolat und Atropin sind hier teils lange genutzte Optionen – Anticholinergika also. Harte Evidenz für deren Nutzen gab es bisher allerdings nicht. Zwei randomisierte Studien, die Anticholinergika nach Beginn des Todesröchelns eingesetzt hatten, konnten keinen überzeugenden Nutzen nachweisen. Eine weitere Studie, die Scopolamin 2018 im Sterbeprozess, aber vor Beginn des Todesröchelns, eingesetzt hatte, fand Hinweise auf einen möglichen Nutzen, jedoch war diese Studie nicht verblindet.
Jetzt haben Onkologen, Sterbebegleiter und Public-Health-Experten aus den Niederlanden eine randomisierte Studie, die SILENCE-Studie, durchgeführt, die diese Evidenzlücke beim Todesröcheln schließt. In mehreren Hospizen wurde die viermal tägliche, subkutane Applikation von Scopolaminbutylbromid in einem doppelblinden Studiendesign mit Placebo-Injektionen verglichen. Die Patienten mussten eine Lebenserwartung von weniger als drei Tagen haben, sie mussten in der Lage sein, der Studie informiert zuzustimmen und es durfte noch kein Todesröcheln aufgetreten sein.
Zum Einsatz kamen 20 mg Scopolamin subkutan viermal am Tag bis zum Eintritt des Todes oder bis zum Auftreten von Todesröcheln Grad 2 oder höher zu zwei Zeitpunkten, die mindestens vier Stunden auseinanderlagen. Letzteres war der primäre Endpunkt, bei dem Therapieversagen angenommen und die Behandlung beendet wurde. Quantifiziert wurde das Todesröcheln auf der Skala nach Back, ebenfalls erhoben wurde mit Blick auf anticholinerge Nebenwirkungen die Unruhe, quantifiziert mit Vancouver Interaction and Calmness Scale (VICS). Darüber hinaus erfolgte die Sterbebegleitung gemäß Leitlinienempfehlungen.
Insgesamt 157 sterbende Patienten wurden zu prophylaktischem Scopolamin oder Placebo randomisiert. 13 Prozent in der Scopolamin-Gruppe, aber mehr als doppelt so viele, nämlich 27 Prozent, in der Placebo-Gruppe entwickelten Todesröcheln gemäß Endpunktdefinition. Das war statistisch signifikant zugunsten der Verumtherapie. Erschwerend kam hinzu, dass in der Placebo-Gruppe Patienten mit Lungenkrebs, COPD und Raucheranamnese überrepräsentiert waren, sodass der tatsächliche Unterschied möglicherweise größer ist. Auch die Zeit bis zum erstmaligen Auftreten von Todesröcheln, ein sekundärer Endpunkt, war bei Scopolamin-Therapie signifikant länger. Innerhalb von 48 Stunden nach Therapiebeginn entwickelten 8 Prozent der Patienten in der Scopolamin-Gruppe, aber 17 Prozent in der Placebogruppe Todesröcheln.
Seitens der anticholinergen Nebenwirkungen gab es dagegen keine größeren Unterschiede zwischen den Gruppen. Unruhe traten bei 28 Prozent (Scopolamin) bzw. 23 Prozent der Patienten auf, ein trockener Mund bei 10 Prozent (Scopolamin) bzw. 15 Prozent und Harnverhalt bei 23 Prozent (Scopolamin) bzw. 17 Prozent. Das alles war weit von jeder Signifikanz entfernt.
Die Autoren sehen die Scopolamin-Therapie, die in palliativmedizinischen Leitlinien wie der deutschen S3-Leitlinie zur Palliativmedizin bei Krebserkrankungen schon lange als Kann-Empfehlung enthalten ist, jetzt als evidenzbasiert an. Die SILENCE-Studie zeige außerdem, dass auch in einem Hospiz-Setting in den letzten Lebenstagen randomisierte Studien durchführbar sind.
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