Die Wirbelfusion nach Dekompressions-OP bei Spinalstenose und Spondylolisthesis ist umstritten. Eine Studie zeigt jetzt: Der Nutzen ist nur gering.
Als Spondylolisthesis wird das bei Vorliegen einer Spondylolyse auftretende Abgleiten eines Wirbels nach ventral bezeichnet. Das „Absacken“ eines oder mehrerer Wirbel kann die Druckverhältnisse an Grund- und Deckplatte verändern und zu starken Lumbalgien und Irritationen von Nervenwurzeln führen. Radikulopathien oder eine Claudicatio spinalis, also belastungsabhängige intermittierende Schmerzen, die während des Gehens auftreten, gehören zu den Folgen, die vornehmlich durch operative Dekompression therapiert werden. Eine aktuelle randomisiert kontrollierte Studie im New England Journal of Medicine legt nahe, dass eine zusätzliche, operative Verschraubung der Wirbel mittels Fusionsverfahren keine Vorteile im Outcome hochgradiger Spondylolisthesis bietet.
Zu den gängigen Therapiemöglichkeiten eines Wirbelgleitens gehören konservative Verfahren wie Krankengymnastik und Gewichtsreduktion sowie Schmerztherapie. Eine hochgradige Spondylolisthesis mit Schmerzpersistenz kann operativ per Dekompressions-OP behandelt werden. Mittels Abtragung des inneren Anteils des Wirbelbogens oder der ventralen Anteile der Bandscheibe können betroffene Abschnitte des Spinalkanals wieder rekonstruiert werden. Da hierbei die Reposition und Stabilisierung der Wirbel im Vordergrund stehen, wird der Eingriff häufig mit einer Wirbelfusion kombiniert. Dabei werden die Wirbelkörper durch Platten und Schrauben miteinander verkeilt. Das Komplikationsrisiko und die zusätzlichen Kosten der Operation sind umstritten.
In ihrer neuen Studie fokussieren sich Forscher des Haukeland University Hospital, Norwegen, auf den Mehrwert operativer Fusionsverfahren bei Wurzeldekompressionen. Die Studie konnte den Nutzen einer zusätzlichen instrumentellen Wirbelfusion bei Patienten mit symptomatischer Lendenwirbelstenose und degenerativer Spondylolisthesis widerlegen.
Die 267 Teilnehmer (Durchschnittsalter 66 Jahre) der multizentrischen Erhebung sprachen auf die bisherige konservative Behandlung nicht an und wiesen eine einseitige Spondylolisthesis von 3 mm oder mehr auf. Mehr als 75 % litten seit über einem Jahr unter einer Radikulopathie, bei 80 % lag auch eine Claudicatio spinalis vor. Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip entweder einer reinen Dekompressionschirurgie oder einer Dekompressionschirurgie mit instrumenteller Fusion der Wirbel zugewiesen.
Das primäre Ergebnis war eine Verringerung des Oswestry Disability Index (ODI) um mindestens 30 % innerhalb von zwei Jahren nach der Operation. Der Index quantifiziert die Beschwerden und funktionellen Einschränkungen auf einer Skala mit maximal 100 Punkten.
Die Ergebnisse der Studie zeigten eine mittlere Veränderung der ODI-Scores (initial 39,3 und 39,4 Punkte) nach zwei Jahren um -20,6 in der Gruppe mit alleiniger Dekompression im Vergleich zu -21,3 in der Fusionsgruppe. Die mittlere Differenz von 0,7 Prozentpunkten (95 % Konfidenzintervall [CI], -2,8 bis 4,3) bewerten die Forscher als nicht signifikant. In der Intention-to-Treat-Analyse hatten 95 von 133 Patienten (71,4 %) in der Gruppe mit alleiniger Dekompression und 94 von 129 Patienten (72,9 %) in der Fusionsgruppe eine Verringerung des ODI-Scores um mindestens 30 % (Differenz, -1,4 Prozentpunkte; 95 % CI, -12,2 bis 9,4), was eine Überlegenheit der zusätzlichen Fusion widerlegt.
Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Dauer der Operation und des Krankenhausaufenthalts sowie eine erneute Operation innerhalb von zwei Jahren. Die Operation mit anschließender Fusion dauerte im Mittel 69 Minuten länger und die Patienten hatten 1,8 Tage längere Aufenthalte im Krankenhaus. Die Reoperationsrate in der Gruppe mit alleiniger Dekompression lag aber etwas höher als in der Fusionsgruppe (12,5 % gegenüber 9,1 %; Differenz, 3,4; 95 % CI; -4,6 bis 11,5 Prozentpunkte).
Laut der norwegischen Forschungsgruppe untermauert die Studie, dass eine ergänzende instrumentelle Fusion zur Dekompression bei der chirurgischen Behandlung des lumbalen Wirbelgleitens nicht notwendig ist. Folgestudien zur Rolle der längeren Operationszeit und des Krankenhausaufenthalts sowie eine Kosten-Nutzen-Analyse des Fusionsverfahrens sind bereits geplant.
Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Alan Calvert, unsplash