Seit gut drei Jahren spaltet Jens Spahn die Nation. Jetzt zeichnet sich das Ende seiner Ära ab. Was bleibt? Mein ganz persönliches Resümee.
Jens Spahn hat mit Abstand ein Lieblingsthema: digitale Technologien aller Art. Das ließ sich in der verstrichenen Legislaturperiode mal besser, mal schlechter unterbringen. Und nicht alle Ärzte oder Apotheker sind von neuen Technologien angetan. Doch jeder Widerstand ist zwecklos, wenn Jens die Initiative ergreift.
Ein Blick zurück: Bevor der Christdemokrat Gesundheitsminister geworden ist, quälte sich Deutschland über Jahre hinweg durch die E-Health-Wüste – eher mit Feldwegen als mit digitalen Autobahnen. Große Themen wie die elektronische Gesundheitskarte oder die elektronische Patientenakte (ePA) blieben in funktionsfähiger Form mit echtem Nutzen Wunschvorstellungen. Anfang 2019 übernahm der Minister quasi im Handstreich die Mehrheit an der Gematik als Betreibergesellschaft. Immerhin hat er die ePA und die elektronische AU an den Start gebracht. Nur der ursprünglich angedachte bundesweite Roll-out des E-Rezepts ist erst einmal geplatzt. Sehen wir weiter, was die neue Regierung unternehmen wird.
Manchmal entwickelte die Sache auch eine recht unerwartete Eigendynamik. Schon 2018 – damals kannte noch niemand SARS-CoV-2 – sprach sich der Ärztetag endlich dafür aus, das historisch verwurzelte Fernbehandlungsverbot zu kippen. Später wurde auch der Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) angepasst. Und seit einer Änderung des Heilmittelwerbegesetzes Ende 2019 dürfen Ärzte unter bestimmten Bedingungen sogar dafür werben, dass sie Videosprechstunden anbieten. Das kam gerade recht vor der Pandemie – plötzlich stieg bei Ärzten und Patienten gleichermaßen das Interesse an neuen Kommunikationswegen. Hoffen wir, dass es auch so bleibt.
Recht klar waren Spahns Erfolge bei digitalen Therapien. Mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz hat der Minister Grundlagen geschaffen, um digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) als Kassenleistung zu etablieren. Und seine Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV) regelt die Umsetzung.
Warum ist der ausufernde Rahmen nötig? Die Zahl an Gesundheits-Apps oder Online-Anwendungen steigt Tag für Tag – nur welche Tools sollten von den Kassen übernommen werden? Evidenz heißt das Gebot der Stunde.
Hier kommen dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) besondere Aufgaben zu. Es prüft auf Antrag des Herstellers verschiedene Aspekte rund um die Funktionalität, den Datenschutz und die Datensicherheit. Viel entscheidender ist aber, dass das BfArM Studiendaten zur Evidenz einsieht – oder zumindest stichhaltige Beweise, um eine vorläufige Aufnahme ins DiGA-Verzeichis zu erreichen. Endgültig ist dies erst möglich, wenn Studiendaten zur Anwendung vorliegen. Im DiGA-Verzeichnis sind derzeit Anwendungen aus den Bereichen Herz/Kreislauf, Hormone und Stoffwechsel, Krebs, Knochen/Muskeln/Gelenke, Nerven und Psyche zu finden. Sie dürfen zu Lasten der GKVen verordnet werden.
Doch eine Schattenseite gibt es im Konstrukt. Hersteller können nach erfolgreicher BfArM-Vorprüfung beliebige Kosten abrechnen; erst danach kommt der GKV-Spitzenverband ins Spiel. Erinnerungen an das AMNOG-Verfahren bei neuen Arzneimitteln werden wach.
Zu Apothekern hatte der Minister ein gespaltenes Verhältnis. Noch im damaligen Koalitionsvertrag hatten sich CDU/CSU gegen den Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel – und für die Präsenzapotheke – bekannt. Inhaltlich ging es dabei um die Frage, wie es gelingen kann, Rabatte bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verhindern. Spahn selbst war mit Verweis auf europarechtliche Bedenken davon nicht angetan. Letztlich schaffte er mit Änderungen im V Sozialgesetzbuch (SGB V) auch nur annähernd gleiche Rahmenbedingungen zur Gleichpreisigkeit. Privat Versicherte fallen logischerweise nicht unter die Regelung.
Doch bei anderen Themen besann sich der Minister plötzlich auf die Apothekerschaft. Sie durfte – mit wenig bis keiner Vorlaufzeit – Masken verteilen, Desinfektionsmittel herstellen oder Impfzertifikate generieren. Das Chaos ließ nicht lange auf sich warten. Immerhin hat Spahn Botendienst-Pauschalen eingeführt und der in Teilen erstaunten Apothekerschaft vor Augen geführt, dass sie Same Day Delivery sehr wohl kann.
Das waren nur ein paar Themen aus Spahns schier unerschöpflichem Potpourri. Mich würde interessieren: Was hat euch besonders geärgert? Oder was lief gut und hat Ärzte oder Apotheker vorangebracht? Wie habt ihr Jens Spahn als Gesundheitsminister wahrgenommen, verglichen mit Hermann Gröhe (CDU), Daniel Bahr (FDP) oder Philipp Rösler (FDP)? Schreibt es in die Kommentare.
Bildquelle: Clem Onojeghuo, unsplash