Brüssel hat Druck gemacht – und der Bundesgesundheitsminister musste nachgeben: Seit Mitte März erhalten Kundinnen öffentlicher Apotheken Notfallkontrazeptiva ohne Rezept. Zeit für eine vorläufige Bilanz von Apothekern, Ärzten und Bürgern.
Über das Für und Wider eines OTC-Switches bei der „Pille danach“ haben Apotheker, Ärzte und Politiker in den letzten Monaten mit großer Leidenschaft diskutiert. Jetzt melden sich Konsumenten zu Wort. YouGov wollte wissen, wie Laien die rezeptfreie Abgabe bewerten - und befragte 1.021 Bürger.
Rund 63 Prozent befürworteten die neuen gesetzlichen Regelungen. Skeptisch beziehungsweise ablehnend äußerten sich nur 29 Prozent. Trotzdem spricht sich ein Großteil aller Befragten für strenge Regelungen aus – nur 28 Prozent wünschen sich den Bezug über Online-Apotheken. Alarmierend: Etwa 15 Prozent sehen in der „Pille danach“ eine Alternative zu etablierten Verhütungsmethoden. Immerhin stufen 63 Prozent Beratungsgespräche in Apotheken als notwendig ein.
Bei diesem Thema scheiden sich heilberufliche Geister. Ende Januar hatte die Bundesapothekerkammer (BAK) einen Beratungsleitfaden veröffentlicht – sehr zum Ärger von Gynäkologen. „Mit großer Besorgnis sehen die Präsidenten des Berufsverbandes der Frauenärzte, der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin der Einführung der Rezeptfreiheit für die Notfallverhütung entgegen“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. In apothekerlichen Handlungsempfehlungen seien „grundlegende Beratungsinhalte nicht enthalten“. Ärzten geht es vor allem um die nachlassende Wirkung von Levonorgestrel und Ulipristalacetat ab einem bestimmten Körpergewicht – und um die „Spirale“ als Option für Frauen mit höherem BMI. Diese Informationen sollen jetzt eingearbeitet werden. Das letzte Wort hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: Sein Haus soll den überarbeiteten BAK-Leitfaden vorab bekommen.
Diese Kontroverse hat diverse Redaktionen auf den Plan gerufen. Zuletzt war „RTL extra“ aktiv. Eine 18-jährige Testkäuferin gab sich als 15-Jährige aus, die nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr ein Notfallkontrazeptivum benötigt. Apotheker berieten per BAK-Fragebogen und dokumentierten das Gespräch. Trotzdem gab es Schwachpunkte: Möglicherweise wäre in der gestellten Situation gar keine „Pille danach“ erforderlich gewesen. Die vermeintliche Kundin gab an, sie hätte am letzten Tag ihrer Periode ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt. Hier sei ein Eisprung kaum möglich, argumentieren Gynäkologen. Auch waren Notfallkontrazeptiva nicht in jeder Apotheke vorrätig.