Nicht immer hat eine Gendiagnostik einen Mehrwert für den Patienten. Worauf ihr im Fall einer hypertrophen Kardiomyopathie achten solltet, fasst Kardiologe Christopher Schneeweis für euch zusammen.
Bei der hypertrophen Kardiomyopathie (HCM) handelt es sich um eine Herzmuskelerkrankung, bei der es zu einer Hypertrophie des Myokards kommt, die sich nicht durch abnormale Füllungsdrücke des linken Ventrikels erklärt1. Daher ist es wichtig, die Genese der linksventrikulären Hypertrophie zu klären: Liegt diese isoliert vor oder tritt sie im Rahmen von Speichererkrankungen (Hämochromatose, M. Anderson-Fabry, Amyloidose), Mitochondriopathien, neuromuskulären Erkrankungen oder bestimmten Syndromen (z. B. Noonan-Syndrom, LEOPARD-Syndrom) auf? Durch eine erweiterte bildgebende Diagnostik mittels kardialer MRT lässt sich heute eine gute Myokardtexturanalyse durchführen, so dass hierdurch das zu Grunde liegende Krankheitsbild weiter eingegrenzt werden kann2.
In der Mehrzahl der Fälle liegt der isolierten HCM primär eine autosomal dominante Vererbung zu Grunde und bei bis zu 60 % der Erkrankten lässt sich eine pathologische Mutation nachweisen. Somit ist die HCM die häufigste genetisch bedingte Kardiomyopathie. Die Mutationen betreffen primär Gene, die für Sarkomerproteine kodieren. Derzeit sind mehr als 1.400 Mutationen auf 8 Genen beschrieben4. Der größte Teil (ca. 70 %3) der Mutationen betrifft Gene, die für die schwere ß-Myosin Kette (MYH7) und das Myosin-bindende Protein C (MYBPC3) kodieren1. Viel seltener betrifft die Mutation andere Gene (MYL2 und MYL3, TPM1, TNNI3, TNNT2, ACTC1 – jeweils ca. 1–5 %).
Für die genetische Testung stehen unterschiedliche Methoden (Gen-Panels, Exom-Sequenzierung, Sequenzierung des gesamten Gens) zur Verfügung. Prinzipiell besteht eine Empfehlung zur genetischen Testung bei Patienten mit isolierter HCM oder einer linksventrikulären Hypertrophie im Rahmen von Syndromen, nicht aber bei sekundären Ursachen4. Die genetische Testung hilft dabei, die klinische Diagnose zu untermauern und eine mögliche präklinische Diagnose bei bisher nicht erkrankten Familienmitgliedern zu stellen.
Bei Nachweis einer pathologischen Mutation sollte eine Kaskadentestung der Familie erfolgen. So können mögliche Anlagenträger (genotypisch positiv) mit bisher fehlendem klinischem Untersuchungsbefund (phänotypisch negativ) identifiziert werden. Diese sollten dann eine engmaschige kardiologische Kontrolle erhalten (1–2-jährlich im Kindes- und Jugendalter und 3–5-jährlich im Erwachsenenalter), da aufgrund der unterschiedlichen Penetranz nicht klar ist, wann und ob es nach einer genotypischen positiven Diagnostik bei negativem Phänotyp zu einer möglichen klinisch manifesten HCM kommt. Bei fehlendem Nachweis einer Mutation ist eine regelmäßige kardiologische Diagnostik verzichtbar3.
Bevor eine genetische Testung in Erwägung gezogen wird, ist es essenziell, zu bedenken, dass ein Mutationsnachweis aufgrund der unterschiedlichen Penetranz nicht zwingend zu einer Erkrankung führen muss und dass ein fehlender Mutationsnachweis nicht die Diagnose ausschließt, sofern klinisch typische Befunde bestehen4. Eine genaue genetische Beratung ist somit obligat und sollte detailliert auf Nutzen und prognostische Relevanz der genetischen Testung eingehen. Diese sollte daher primär an darauf spezialisierten Zentren erfolgen.
Abschließend ist noch zu erwähnen, dass bei keiner Mutation ein eindeutiger prognostischer Bezug zu einem erhöhten Risiko eines plötzlichen Herztodes (SCD) nachgewiesen ist und bei genotypisch positiven, aber phänotypisch negativen Patienten das Risiko eines SCD sehr gering ist3. Die Risikostratifizierung des SCD bei Patienten mit HCM basiert weiter auf einer Kombination aus Anamnese/Familienhistorie und klinischen Untersuchungsbefunden und nicht auf der genetischen Analyse.
Quellen
1. Authors/Task Force Members, Elliott PM, Anastasakis A et al (2014) 2014 ESC Guidelines on diagnosis and management of hypertrophic cardiomyopathy: the Task Force for the Diagnosis and Management of Hypertrophic Cardiomyopathy of the European Society of Cardiology (ESC). European Heart Journal 35:2733–2779. doi: 10.1093/eurheartj/ehu284
2. Maron MS (2012) Clinical utility of cardiovascular magnetic resonance in hypertrophic cardiomyopathy. J Cardiovasc Magn Reson 14:13–21. doi: 10.1186/1532-429X-14-13
3. Ommen SR, Mital S, Burke MA et al (2020) 2020 AHA/ACC Guideline for the Diagnosis and Treatment of Patients With Hypertrophic Cardiomyopathy: A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Joint Committee on Clinical Practice Guidelines. Circulation 142:e558–e631. doi: 10.1161/CIR.0000000000000937
4. Schulze-Bahr E, Klaassen S, Abdul-Khaliq H, Schunkert H (2015) Gendiagnostik bei kardiovaskulären Erkrankungen. Der Kardiologe 9:213–243. doi: 10.1007/s12181-014-0636-2
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