Aktuell fordern immer mehr Mediziner und Fachgesellschaften den Einsatz spezialisierter Pflegekräfte an Schulen. Doch was könnten sie für Aufgaben übernehmen und wann ist eine Unterstützung sinnvoll?
Jährlich erkranken in Deutschland rund 3.500 Kinder und Jugendliche neu an einem Typ-1-Diabetes, immer mehr bereits im Vorschulalter. Obwohl die Versorgung diabeteskranker Kinder dank moderner Insulinpumpen und kontinuierlicher Glukosemessung einfacher geworden ist, benötigen die Patienten im Grundschulalter punktuell Unterstützung. „Den Insulinbedarf an Sport und Spiel, an Lernstress und Schulessen anzupassen, ist eine komplexe Herausforderung, die sie oft noch nicht allein meistern können“, betont Kinderdiabetologe Prof. Andreas Neu. Lehrkräften fehle das medizinische Wissen, um zu unterstützen.
Aus diesem Grund fordern Experten in einem Positionspapier, Grundschulen verbindlich mit einer Gesundheitsfachkraft auszustatten. „Gesundheitsfachkräfte können chronisch kranke Kinder im Schulalltag kompetent begleiten“, erläutert Dr. Thomas Kapellen. Damit würde Deutschland dem Beispiel anderer Nationen folgen. In skandinavischen und angloamerikanischen Ländern sind seit Jahren spezialisierte Pflegekräfte in Schulen tätig, die als „school nurses“ Kinder und Jugendliche in allen gesundheitlichen Angelegenheiten betreuen.
Studien bestätigen, dass alle Beteiligten der Schulgemeinde davon profitieren. Auch in Deutschland sind zwei Modellprojekte in Brandenburg und Hessen evaluiert worden. Ein Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Einrichtung von Gesundheitsfachkräften an Schulen machbar und ökonomisch sinnvoll ist und empfiehlt als Orientierungsrahmen einen Schlüssel von 1:700. „An jeder Schule sollte eine Gesundheitsfachkraft tätig sein“, so Kapellen.
Der Einsatz scheint sich auszuzahlen: So kam es in Brandenburg und Hessen zu weniger Unfällen und Rettungswageneinsätzen sowie zu geringeren Behandlungskosten. „Für Kinder mit Typ-1-Diabetes bedeutet dies: verbesserte Glukoseeinstellung, weniger Notfallsituationen, weniger Fehlzeiten und Ausgrenzung, eine insgesamt positivere Lebensperspektive“, erläutert Neu. Schulgesundheitsfachkräfte trügen zudem stark zur Entlastung von Lehrern und Eltern bei, die sonst wegen der Krankheit ihres Kindes häufig ihre Berufstätigkeit einschränken müssen.
Dies sind volkswirtschaftliche Pluspunkte, die sich potenzieren – schließlich unterstützen Schulgesundheitsfachkräfte nicht nur chronisch kranke Kinder. „Sie leisten Erste Hilfe, sind Anlaufstelle bei Schmerzen und Vertrauensperson bei gesundheitlichen und psychischen Auffälligkeiten, sie beraten Kinder und Eltern zu Sucht, Ritzen, Stress, in Krisensituationen oder in Ernährungsfragen, melden den Verdacht auf Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung“, erklärt Prof. Jörg Dötsch.
Zur Finanzierung der Schulgesundheitsfachkräfte sind aus Expertensicht Anstrengungen von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungsträgern erforderlich. „Zunächst sollte die Lebenswelt Schule ins Präventionsgesetz aufgenommen werden“, erläutert Neu. So könnten die Krankenkassen mit einem Euro pro Versichertem einen Beitrag in Höhe von rund 57 Millionen Euro in einen Fonds einzahlen, der über die Länder an die Schulen weitergegeben werden kann. Auch Länder und Unfallkassen könnten sich beteiligen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Hier könnt ihr das Positionspapier der DDG abrufen.
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