Die Honorarverhandlungen sind durch – aber keiner jubelt. Der Grund: Im Jahr 2022 steigt der Orientierungswert um nur knapp 1,3 Prozent. Warum ich darin eine große Gefahr sehe.
Die Honorarverhandlungen für niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten sind beendet, und Katzenjammer macht sich breit. Nachdem sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband nicht einigen konnten, kam der Erweiterte Bewertungsausschuss zum Zuge. Sein Ergebnis überrascht und erstaunt gleichermaßen. Der Orientierungswert steigt um 1,275 Prozent – eine Zahl unterhalb der Inflationsrate. Zuvor drohte sogar eine Nullrunde.
Die KBV selbst bemühte sich umgehend, das Debakel zu analysieren. Schwächen sieht sie im Orientierungswert, der die Kostenentwicklungen in Praxen nicht mehr sachgerecht abbilde, wie KBV-Chef Dr. Andreas Gassen betont. Als Gründe nennt er höhere Tarifgehälter für MFA, aber auch höhere Ausgaben durch Hygieneauflagen.
Schön und gut – nur, dass im Wahljahr der Aufschrei nicht größer ist, verwundert mich. Druckmittel hätte es mehr als genug gegeben, die Öffentlichkeit war und ist ganz auf Seiten der Ärzte, gerade in Corona-Zeiten. Ob die nächste Regierung Einsicht zeigen wird, sei dahingestellt. Deutschland jedenfalls braucht keine Bürgerversicherung, sondern verlässliche Grundlagen für den ambulanten Sektor.
Ansonsten droht vielen Inhabern ein böses Erwachen. Schon jetzt berichten viele Kollegen von Problemen, wenn sie offene Stellen vergeben. Da ist es nicht gerade von Vorteil, dass die genannten 1,275 Prozent nicht einmal die jüngsten Gehaltssteigerungen von MFA abbilden, von anderen Kosten ganz zu schweigen.
Und nicht zu vergessen: Krankenkassen oder Krankenhäuser bieten bereits lukrativere Verträge an, und MFA suchen das Weite. GKVen übernehmen tarifliche Personalkostensteigerungen in Kliniken eins zu eins, aber nicht im niedergelassenen Bereich. Solche Unterschiede machen keinen Sinn. Personalkostensteigerungen müssen unmittelbar, nicht erst nach Jahren, berücksichtigt werden.
Die aktuelle Entwicklung ist ein weiterer Sargnagel für Praxen. Schon jetzt ist die Situation schwierig wegen der Altersstruktur niedergelassener Kollegen. In den nächsten Jahren werden viele Kollegen ihren Ruhestand antreten.
Und der Nachwuchs hat laut Umfragen immer weniger Ambitionen, eine Praxis zu gründen oder zu übernehmen. Das mag an viel Arbeit liegen, an überbordender Bürokratie, aber auch an immer schlechteren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Es ist höchste Zeit, das zu ändern.
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