Bei einer asymptomatischen Carotisstenose gibt es zwei Möglichkeiten, einem Schlaganfall vorzubeugen: den Stent und eine offene Gefäßoperation. Welches Verfahren kann mehr?
Eine durch Arteriosklerose bedingte Verengung einer Halsschlagader (Carotisstenose) kann das Schlaganfallrisiko erhöhen. Zur Behebung der Stenose, um einem Schlaganfall vorzubeugen, gibt es zwei Möglichkeiten: den Carotis-Stent und eine offene Gefäßoperation. Nach beiden Eingriffen besteht jedoch eine kurzfristige Erhöhung des Schlaganfallrisikos.
Die ACST-2-Studie sollte klären, welches Vorgehen bei einer asymptomatischen Carotisstenose das bessere Nutzen-Risiko-Verhältnis hat. Es zeigte sich, dass im Kurzzeitergebnis sowie über fünf Jahre beide Verfahren gleichwertig waren.
Ob und wann bei asymptomatischen Carotisstenosen eine Intervention erfolgen sollte, wird in Fachkreisen weltweit nicht immer einheitlich diskutiert, denn beide Prozeduren erhöhen kurzfristig (perioperativ) das Schlaganfallrisiko. Es stehen hierfür zwei Behandlungsmethoden zur Verfügung: das Carotis-Stenting („carotid artery stenting“/CAS) und das gefäßchirurgische Verfahren der Carotis-Endarteriektomie (CEA), eine offene Gefäßoperation, bei der die Ablagerungen praktisch vollständig aus der A. carotis „herausgeschält“ werden.
Das Risiko für asymptomatische Patienten, einen Schlaganfall in Folge der Intervention mit bleibender Behinderung zu erleiden oder zu versterben, liegt nach deutschen Registerdaten für beide Methoden bei 0,7 %. Insgesamt war allerdings die bisherige Evidenz für das Vorgehen bei asymptomatischer Carotisstenose nicht zufriedenstellend, da in randomisierten Studien nicht genug Patienten eingeschlossen worden waren.
Ziel der kürzlich publizierten, internationalen, multizentrischen ACST-2-Studie war, eine ausreichend große Patientenzahl zu rekrutieren und das Risiko-Nutzen-Profil beider Verfahren zu vergleichen. In 130 Zentren aus 33 Ländern wurden 3.625 Patienten mit asymptomatischer Carotisstenose eingeschlossen.
Die Carotisstenosen wurden sonografisch diagnostiziert (Verengung ≥ 60 %); es bestand bei allen Studienteilnehmenden eine Indikation zur Intervention. Alle Patienten erhielten eine optimale Behandlung bekannter Risikofaktoren, sie wurden randomisiert mit CAS (n = 1.811) oder CEA (n = 1.814) behandelt und einen Monat lang nachbeobachtet, gefolgt von jährlichen Follow-up-Untersuchungen für im Mittel fünf Jahre.
Insgesamt erlitten 1 % der Betroffenen innerhalb von 30 Tagen einen prozeduralen Schlaganfall mit bleibender Behinderung oder verstarben (15 in der CAS-Gruppe, 18 in der CEA-Gruppe). Ungefähr 2 % hatten prozedurale Schlaganfälle ohne bleibende Behinderung (48 in der CAS-Gruppe sowie 29 in der CEA-Gruppe). Die nicht-prozedurale Schlaganfallrate (tödlich oder mit Behinderung) über fünf Jahre betrug in jeder Gruppe ca. 2,5 % – und für Schlaganfälle aller Ursachen 5,3 % in der CAS-Gruppe versus 4,5 % in der CEA-Gruppe (keine Signifikanz).
In der Zusammenschau mit allen früheren CAS-versus-CEA-Studien war das nicht-prozedurale Schlaganfallrisiko bei symptomatischen und asymptomatischen Patienten ähnlich. Das Follow-up der ACST-2-Studie wird fortgesetzt, um weitere Langzeitdaten zu erhalten.
„Schwere Komplikationen sind heute bei fachgerechter Durchführung beider Methoden selten. Der Nutzen bzw. die langfristige Risikoreduktion über fünf Jahre sind ebenfalls vergleichbar“, kommentiert Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. „Wir haben nun eine gute Evidenzlage beim Vergleich von CAS und CEA bei asymptomatischer Carotisstenose, können aber keine Empfehlung für das eine oder andere Verfahren ableiten. Wenn die Indikation für einen Eingriff besteht, sollten Ärzte gemeinsam mit den Patienten die Therapieentscheidung individuell treffen.“
Prof. Hans-Christoph Diener, DGN-Pressesprecher, bemängelt allerdings, dass in der Studie der Vergleich mit der bestmöglichen konservativen Behandlung fehlt, welche Lebensstilmodifikationen und eine medikamentöse Therapie der Gefäßrisikofaktoren, wie Blutdruck- oder Blutfettsenker umfasst. „Möglicherweise gibt es einzelne Patienten, bei denen auf einen Eingriff ganz verzichtet werden kann.“
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Die zugehörige Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Cassi Josh, unsplash