Neue Ebola-Ausbrüche in Afrika liefern Grund zur Sorge. Das Besondere: Die Ebola-Viren haben offenbar in genesenen Patienten überdauert.
Eine 51-Jährige Krankenschwester wird am 21. Januar 2021 mit Kopfschmerzen, Asthenie, Übelkeit, Anorexie, Schwindel und Bauchschmerzen ins Krankenhaus in Gouéké, Guinea, eingeliefert. Mit der Diagnose Malaria und Salmonellose wird sie zwei Tage später entlassen. Als sie sich weiterhin krank fühlt, besucht sie eine Privatklinik und einen traditionellen Heiler, verstirbt jedoch drei Tage später. Ihr Ehemann und weitere Familienmitglieder, die an ihrer Beerdigung teilnehmen, erkranken in der Folgewoche an denselben Symptomen und vier sterben. Sie werden am 11. Februar als erste Verdachtsfälle vom nationalen Seuchenwarnsystem gemeldet – die Diagnose ist das Ebolafieber.
Das Ebolavirus Zaire ebolavirus zählt zu einem der tödlichsten Erreger für Menschen weltweit mit einer Letalität von bis zu 90 Prozent. 2014 war es aufgrund des Ebolafieber-Ausbruchs in Westafrika in aller Munde. Damals wurden mindestens 28.000 Menschen infiziert, es starben mehr als 11.000 Personen, aber auch mehr als 17.000 überlebten die Epidemie. Nun scheint das Virus erneut für Ausbrüche zu sorgen – aber der Ursprung ist keineswegs zoonotisch. Das Virus scheint in Überlebenden eine Latenzphase einzugehen und somit wieder aktiv zu werden. Das sorgt wiederum für erneute Transmissionen.
Die neuen Fälle von Ebola-Infektionen traten im Februar bis Juni 2021 in der Region Nzérékoré im Südosten Guniea auf. Insgesamt infizierten sich 23 Menschen, von denen zwölf an dem Virus starben. Die Arbeitsgruppe um den Virologen Alpha Kabinet Keita von der Université de Conarkry in Guinea sequenziert das Virus von 2021 aus 12 Personen und verglich es mit den Sequenzen des Virus, das für die Epidemie 2014/2015 verantwortlich war. Dabei konnte praktisch kein Unterschied festgestellt werden. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature publiziert.
Das Virus aus diesem Jahr trägt außerdem eine Mutation, die nur das Virus trägt, welches 2013 auf den Menschen gesprungen ist: A82V. Diese Mutation macht das Virus deutlich ansteckender, da es die Transmission beschleunigt und den Eintritt in die Zelle begünstigt. Das zeigt auch, dass der Ausbruch nicht auf eine Zooonose zurückgeführt werden kann, was bisher bei kleineren Ausbrüchen angenommen wurde.
Beim Vergleich der Sequenzen mit dem Virus aus der damaligen Epidemie konnte auch ermittelt werden, wie viele Mutationen aufgetreten sind. Darüber kann auch abgeschätzt werden, wie viel Zeit zurückliegt. Das Virus aus diesem Jahr wies jedoch 6,4-fach weniger Punktmutationen auf, als man erwarten würde, wenn das Virus in den letzten sechs Jahren kontinuierlich von Mensch zu Mensch übertragen worden wäre. Daraus schließen die Forscher, dass das Virus im Körper eines Genesenen in einer inaktiven Phase überdauert hat. Die Erkenntnis gehe auch damit einher, dass bereits zuvor in symptomfreien Genesenen auch nach einigen Monaten Viren nachgewiesen werden konnten, die auch wieder reaktiviert wurden.
Der Erreger muss sich daher etwa sechs Jahre in einer latenten Phase befunden haben, schreiben die Forscher im Nature-Bericht. Weshalb der Erreger nun wieder aktiv wurde und in eine replikative Phase überging, ist bisher unklar. Der Ausbruch zeige jedoch, dass das Ebolavirus im menschlichen Reservoir überdauere und Ebola-Ausbrüche nicht immer auf Zoonosen, sondern häufiger auf Mensch zu Mensch Übertragungen zurückgingen.
Es handelt sich hierbei nicht um den einzigen Ausbruch. Zwischen Februar und Mai kam es in der Demokratischen Republik Kongo zu zwölf Fällen, von denen sechs starben. Genomische Daten und epidemiologische Beweise zeigen, dass dieser Ausbruch ebenfalls auf eine Reaktivierung einer vorherigen Ebola-Infektion zurückzuführen ist – vermutlich auf den Ausbruch in 2018 bis 2020. Bei dem damaligen Ausbruch wurden etwa 3.470 Personen infiziert und 2.380 starben an dem Virus. Auch bei diesem Ausbruch stoppten die Mutationen nicht komplett, sondern entwickelten sich mit einer wesentlich niedrigeren Rate.
Mit diesen neuen Erkenntnissen kann der Mensch als Zwischenwirt auf die Liste der Langzeit Ebola-Virus „Reservoirs“ hinzugefügt werden, die neue Ausbrüche verursachen. Unklar bleibt jedoch, wie das RNA-Viurs in eine Latenzphase übergehen kann. RNA-Viren sind in der Regel auf den Replikationsapparat des Menschens angewiesen, da sie nicht die reverse Transkriptase exprimieren. Somit kann die RNA nicht in DNA umgeschrieben werden, damit ein Einbau in das Genom der Wirtszelle stattfinden könnte, um latent zu werden. Die Forscher vermuten jedoch, dass Wechselwirkungen mit dem Immunsystem eine Rolle bei der Latenz und Reaktivierung des Ebolavirus spielen. Das Virus könne in Teilen des Körpers wiederauftauchen, die die Anwesenheit von Infektionserregern tolerieren – „immunprivilegierte“ Bereiche wie Hoden, Augen und das Zentralnervensystem, heißt es im Artikel.
Eines lässt sich dennoch anhand der jüngsten Ausbrüche zeigen – Impfen von Personen die einem erhöhten Expositionsrisiko ausgesetzt sind sowie Impfungen und Kontakterfassungen von Kontakten der Ebola-Infizierten, können die Ausbreitung bremsen und die Ausbrüche kontrollieren, erklären die Forscher.
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