Nach einem außerklinischen Herzinfarkt gehört eine Koronarangiografie zur Routineuntersuchung. Je schneller sie durchgeführt wird, desto höher die Überlebenschancen – dachte man bisher. Eine Studie beweist das Gegenteil.
Das Ergebnis hat einen bedeutenden Einfluss auf die bisherige klinische Vorgehensweise bei Herzstillstand-Patienten. Denn wiederbelebte Patienten, die außerhalb der Klinik einen Herzstillstand erleiden, profitieren nicht zwangsläufig von einer schnellen Röntgenuntersuchung der Herzkranzgefäße wenn sie unspezifische EKG-Veränderungen haben, fanden die Beteiligten an der TOMAHAWK-Studie von Studienleiter Prof. Dr. Steffen Desch vom Herzzentrum Leipzig heraus.
Die Strategie, Betroffene mit überlebtem Herzstillstand nach Einlieferung in das Krankenhaus routinemäßig rasch einer Koronarangiografie zu unterziehen, ist demnach im Vergleich zu einer abwartenden Vorgehensweise nicht sinnvoll. Behandelnden Ärzten bleibt künftig somit mehr Zeit für die genaue Diagnose.
Welche Rolle spielt der Zeitpunkt?
Im Detail haben die Forschenden herausgefunden: Beim überwiegenden Teil der Betroffenen, die einen akuten Herzstillstand erleiden, ist die Koronarangiografie zwar die beste Therapie, um verschlossene Gefäße schnellstmöglich wieder zu eröffnen. Der Zeitpunkt der Durchführung ist dabei jedoch nicht so zeitkritisch zu sehen, wie bisher angenommen: Eine rasche Koronarangiografie führt laut der Studie bei wiederbelebten Patienten nach außerklinischem Herzstillstand und ohne ST-Hebung im EKG nicht zu einer Verbesserung der Überlebenschancen.
Das Ergebnis wurde auf dem Europäischen Kardiologenkongress vorgestellt und wurde zeitgleich im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlicht.
„Bislang nahm man an, dass Betroffene, die außerhalb der Klinik einen Herzstillstand erleiden und reanimationspflichtig werden, so schnell wie möglich mittels Koronarangiografie behandelt werden müssen, um einen möglichen Herzinfarkt als häufigste Ursache zu behandeln“, so Studienleiter Prof. Desch.
Der Studienaufbau
In der vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislaufforschung (DZHK) geförderten TOMAHAWK-Studie wurden 554 nach außerklinischem Herzstillstand reanimierte Patienten ohne ST-Hebung im EKG an 31 Zentren in Deutschland und Dänemark eingeschlossen und zwei Gruppen zugelost:
Prof. Inke König, Direktorin des Instituts für Medizinische Biometrie und Statistik der Universität zu Lübeck, hat im Rahmen dieser Studie als verantwortliche Biostatistikerin fungiert. Sie hält die Zusammenarbeit zwischen dem Herzzentrum Leipzig und der Universität zu Lübeck für einen Erfolgsfaktor und zukunftsweisend für die universitäre Medizin: „Diese Studie zeigt beispielhaft, wie Expertise standortübergreifend gebündelt werden kann. Im Rahmen der DZHK-Förderung haben hier nämlich 31 Kliniken in Deutschland und Dänemark Patienten standardisiert eingeschlossen, und klinisches Monitoring und Projektmanagement wurden vom Zentrum für klinische Studien Lübeck (ZKS Lübeck) übernommen.“
Alles mit der Zeit
Die Ergebnisse der TOMAHAWK-Studie sind eindeutig: Nach 30 Tagen waren in der Gruppe mit sofortiger Koronarangiografie 54 Prozent verstorben, in der Vergleichsgruppe mit verzögerter Koronarangiografie waren es 46 Prozent. Laut Prof. Eitel, Direktor der Medizinischen Klinik II (Kardiologie, Angiologie, Intensivmedizin des universitären Herzzentrums Lübeck) am UKSH, der ebenfalls an der Studie als Koautor und die Klinik als Studienzentrum beteiligt war „ist die Strategie, Patienten mit überlebtem Herzstillstand nach Einlieferung in das Krankenhaus routinemäßig rasch einer Koronarangiografie zu unterziehen im Vergleich zu einer abwartenden Vorgehensweise nicht sinnvoll“. Dies werde man ab sofort auch in der klinischen Praxis umsetzten um „unnötige Herzkatheteruntersuchungen nach Herzstillstand vermeiden zu können“.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität zu Lübeck. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Marc-Olivier Jodoin, Unsplash.