Hearing zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz: Drei Stunden lang befragte der Gesundheitsausschuss letzten Mittwoch verschiedene Experten. Die Gäste waren kritisch und hatten vorab Stellungnahmen eingereicht. Jetzt ist es an Hermann Gröhe, nachzubessern.
Die eierlegende Wollmilchsau in Gesetzesform: Mit seinem GKV-VSG plant Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), alle Probleme von Apothekern und Ärzten zu lösen – glaubt man seinen Worten. Ganz so rosig ist die Sache aber nicht. Uns so haben etliche Interessenvertreter ihrem Unmut Luft gemacht.
Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hatte bereits Ende 2014 eine Stellungnahme vorbereitet. Darin forderten Standesvertreter zusätzliche Vergütungen für apothekerliche Leistungen, etwa 2,91 Euro als Pauschale für Betäubungsmittel und 8,35 Euro als Zuschlag für Rezepturen. Und pro Rx-Packung sollten 20 statt bisher 16 Cent in den Nacht- und Notdienstfonds fließen. Im aktuellen Entwurf finden sich derart konkrete Zahlen nicht. Vielmehr geht es um die regelmäßige Anpassung von Festzuschlägen und um mehr Geld für parenterale galenische Formulierungen. Bei der Anhörung in Berlin stand ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz zu einem anderen Thema Rede und Antwort. Einmal mehr ging es um Sanktionen gesetzlicher Krankenkassen. Schmitz erklärte, durch Nullretaxationen entstünden schnell Schäden im fünfstelligen Bereich. Jetzt sind Organe der Selbstverwaltung gefordert. ABDA-Funktionäre befürworten einen Rahmenvertrag des Deutschen Apothekerverbands und des GKV-Spitzenverbands – je schneller, desto besser. Gröhe sieht hier sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes als Frist, während sich Schmitz vorstellen kann, diesen Zeitraum zu verkürzen.
Abgeordnete erkannten rasch, wie sehr Nullretaxationen Apothekern unter den Nägeln brennen. Doch es gibt Ausnahmen: Claudia Korf, sie leitet seit Januar bei der ABDA den Geschäftsbereich Wirtschaft, Soziales und Verträge, sieht kaum Probleme. „Krankenkassen und Apotheker sind Partner“, sagte sie in einem Interview. Es läge in der Natur der Sache, dass es immer mal wieder zu Reibereien komme. Korf weiter: „Da läuft im Moment wenig schief.“ Das stieß vor allem dem Bundesverband der Apothekenkooperationen (BVDAK) sauer auf. „Solche Aussagen sind nicht nur realitätsfern, sondern auch eine Ohrfeige für jeden Apotheker, der tagtäglich mit den Krankenkassen Kämpfe austrägt“ sagte BVDAK-Chef Dr. Stefan Hartmann. Er selbst hält eine Erhöhung des Fixzuschlages für überfällig und wünscht sich rasche Ergebnisse beim Thema Nullretax. Nach einer Stellungnahme des GKV-Spitzenverbands zweifeln Apotheker ohnehin am vermeintlich partnerschaftlichen Umgang. „Bei Verstößen gegen formale Vorgaben handelt es sich nicht um 'unbedeutende formale Fehler'“, schreiben Kassenvertreter. „Nur lässliche Fehler ohne Auswirkungen auf die Versorgungsqualität und die Arzneimitteltherapiesicherheit können dazu führen, dass grundsätzlich ein Vergütungsanspruch für den Apotheker entstehen kann.“ Sollten sich Nullretaxationen politisch nicht mehr durchsetzen lassen, will der GKV-Spitzenverband zumindest eine Gebühr von Apothekern, um den zeitlichen Aufwand bei Retaxationen zu berücksichtigen.
Hermann Gröhe kennt das leidige Thema von Apothekertagen und von Gesprächen mit Spitzenvertretern der Apothekerschaft nur allzu gut. Mit dem GKV-VSG will der Christdemokrat aber auch Schwachstellen bei der Versorgung schließen. Sein Entwurf zum Entlassmanagement sieht Krankenhausärzte in der Pflicht, bis hausärztliche Praxen – beispielsweise nach dem Wochenende – wieder öffnen. Eine Rezeptvermittlung durch Dritte ist nach dem Apothekengesetz (ApoG) zwar nicht legitim. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jedoch keine Bedenken, falls Kliniken Dritte beauftragen, Medikamente von der Apotheke abzuholen und an das Krankenbett zu liefern. Zuweisungsverbote gemäß Paragraph 11 ApoG gelten Richtern zufolge nicht als Problem. An dieser Sichtweise störten sich schon Gesundheitspolitiker im Bundesrat. Ihre Strategie sieht vor, besagten Paragraphen explizit auf das Entlassmanagement anzuwenden. Dem Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheker (BVKA) reichen entsprechende Formulierungen nicht aus. BVKA-Chef Dr. Klaus Peterseim möchte verhindern, dass dieser Bereich anonymen Homecare-Versorgern in die Hände fällt. Sein Ziel ist, öffentliche Apotheken stärker mit einzubeziehen. Grund genug, einen neuen Paragraphen 12b ApoG vorzuschlagen. Der neue Passus soll eine freie Apothekenwahl garantieren, aber auch unerwünschte Kooperationen mit privaten Firmen unterbinden. Darüber hinaus fordern BVKA-Vertreter, den Deutschen Apothekerverband (DAV) in Rahmenvereinbarungen zwischen Kassen und Kliniken mit einzubeziehen. Momentan sitzen lediglich der GKV-Spitzenverband, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft am runden Tisch. Viele Themen, viele Schwachstellen. Apotheker warten gespannt, bei welchen Punkten Hermann Gröhe nachbessern wird.