Der Apotheken-Kongress Expopharm fand auch in diesem Jahr wieder statt. Meine Highlights vom fünftägigen Event findet ihr hier.
Da in diesem wie im vergangenen Jahr coronabedingt keine Expopharm vor Ort veranstaltet werden konnte, war immerhin eine Online-Veranstaltungsreihe, die „Expopharm Impuls“ auf die Beine gestellt worden, auf der sich interessiertes Publikum informieren und in den Pausen sogar etwas netzwerken konnte. Hier kommen meine ganz persönlichen Eindrücke und Highlights.
Es wurden viele verschiedene apothekenrelevante Themen angeschnitten, doch einige größere Themenfelder kamen häufiger in den Fokus der Aufmerksamkeit:
Deutlich wurde bei vielen verschiedenen Vorträgen der 130 Referenten der Expopharm Impuls, dass die Coronapandemie zwar – wie für andere Berufszweige auch – eine Herausforderung bedeutet hat, aber auch speziell für die Apotheke vor Ort eine Möglichkeit war, ihre besondere Bedeutung für die Gesunderhaltung der Menschen herauszustellen.
Im Gespräch mit den Politikern, die zum Gespräch entweder vor Ort waren (Wieland Schinnenburg von der FDP und Kordula Schulz-Asche von den Grünen) oder zugeschaltet wurden (Michael Hennrich von der CDU/CSU, Sabine Dittmar von der SPD, Kathrin Vogler von den Linken, Jörg Schneider von der AFD) entspann sich am ersten Veranstaltungstag bereits ein interessanter Dialog mit dem Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitung Benjamin Rohrer und der ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening1.
Letztere warb für die Verstetigung der Abgaberegelungen für Medikamente während der Pandemie und das Beibehalten des Fremd- und Mehrbesitzverbotes. Dieses wird offenbar bei verschiedenen Parteien zurzeit, trotz der grundsätzlichen Anerkennung der Arbeit und ihres angeblichen Bekenntnisses zur Apotheke vor Ort, überdacht.
Auch hat die Pandemie Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Apotheke zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen installieren kann, wie die Teststrategie oder die Erstellung des digitalen Impfnachweises.
Über weitere Möglichkeiten diskutierten der Apothekeninhaber Dr. Björn Schittenhelm, der als erster Apotheker ein voll digitales Testzentrum in Deutschland in Holzgerlingen auf die Beine gestellt hat2, mit Daniela von Nidda, Inhaberin der „Alten Apotheke“ und Hans Rittinghausen, dem Geschäftsleiter von Weber & Weber Gmbh & Co.KG und Microbiotica GmbH3.
Dieser betonte, dass es wichtig für die Apotheken sei, sich in der Zukunft als lokale Institution zu präsentieren, die als erster Anlaufpunkt niedrigschwellig für die Bevölkerung zugänglich ist. Er sieht neben dem Testen und Impfen noch ein großes Potenzial beim Thema Beratung zu Gesundheitsthemen oder digitalen Prozessen im Bezug auf die Kundenbindung.
Speziell was die Nutzung von QR-Codes angeht, die im Hinblick auf das E-Rezept vermutlich auch wieder benötigt werden, haben die Apotheken durch die Ausstellung derselben für das digitale Impfzertifikat oder für die Ergebnisse von durchgeführten Coronatests bereits viel Vorarbeit geleistet. Auf welchem Weg diese zusätzlich erbrachten Dienstleistungen allerdings vergütet werden sollen, blieb offen.
Klar wurde nur, dass die Apotheke vor Ort immer gerne für die Bevölkerung da ist und dabei im Gegensatz zur Ärzteschaft über alle „Stöckchen gesprungen“ ist, die ihnen „die Politik hingeworfen“ hat. Ob man das nun grundsätzlich immer positiv beurteilen möchte, sei jedem freigestellt …
Am zweiten Veranstaltungstag wurde es doch deutlich konkreter, denn die Themen Cannabis, Nachwuchsgewinnung, BWL für das Backofficeteam, wertschätzende Mitarbeiterführung und das E-Rezept standen auf dem Plan. So schön wie es allerdings ist, dass wir dazu in der Lage sind, eine solche Veranstaltung virtuell stattfinden zu lassen – man nimmt sich in der Regel dafür keinen Urlaub, wie bei einer Live-Veranstaltung. Daher lief sie vermutlich bei vielen Zuschauern irgendwo im Backoffice der Apotheke, während man zwischen der Arbeit im HV, der Rezeptur oder Telefonaten immer mal wieder reinschaute. Gut also, dass man die meisten Themen später nochmal einmal in Ruhe Revue passieren lassen kann.
Grundsätzlich wurde dem Thema Nachwuchsgewinnung viel Zeit eingeräumt. Die Frage, warum viele Pharmaziestudenten nach dem Studium in die Industrie abwandern und der öffentlichen Apotheke verlorengehen, wurde sehr ausführlich mit Thomas Benkert, dem Präsidenten der Bundesapothekerkammer, Andreas May, dem Vorsitzenden der ADEXA (Apothekengewerkschaft), der Apothekeninhaberin Susanne Koch und Bianca Partheymüller vom Bundesverband der Pharmaziestudierenden besprochen4.
Bis zum Jahr 2029 sollen dem Apothekenmarkt insgesamt 10.000 Apothekerstellen fehlen. Ist ein Grund dafür, dass in den Universitäten die Arbeit in der öffentlichen Apotheke schlechtgeredet wird?
Ziehen die Universitäten bewusst eine Elite hoch, die sich zu schade für die Arbeit mit den Kunden im HV ist? Wäre es sinnvoll, nicht nur die Einser- und Zweierkandidaten im Studium zu belassen, die mit dem Blick auf die Arbeitsbelastung und die schlechte Vergütung in der Apotheke dankend abwinken, um sich ihren Platz in der Industrie zu suchen? Besonders die unverbrauchte und ehrliche Sichtweise und Darstellung des Ist-Zustandes während des Studiums von Frau Partheymüller war es wert, diesen Beitrag anzusehen.
Am dritten Tag gab es viele Vorstellungen von Neuheiten verschiedener Firmen, und so manches Mal fühlte es sich wirklich an wie auf der Messe – nur eben ohne Goodies und Give-aways. Wer sich also für Neues aus der Rezeptur interessiert, das die Firma WEPA anbietet, wer nicht wusste, wie er mit der Online-Version des DAC/NRF-Werks arbeitet, wie der TI-Messenger der Gematik funktioniert, was die Amira-Welt ist, oder wie er mit LabXpert dokumentieren soll, der konnte sich hier den kompletten Tag lang ausleben.
Zwischendurch stachen Themen wie Medikationsmanagement, neue Therapieoptionen bei atopischer Dermatitis, Kundengewinnung und Weiterqualifizierung für PTA und Apotheker für mich hervor. Die Fortbildung zur „Apothekenfachkraft für digitale Medien“ war mir bisher genau wie die zum „Apothekenfachwirt WDA“ nicht bekannt5.
Am Tag danach waren E-Rezept und Digitalisierung neben der Mitarbeitergewinnung und verschiedenen Rezepturthemen wieder häufiger im Gespräch. Was hat es für Auswirkungen auf den Botendienst, wie funktioniert das E-Rezept in der Warenwirtschaft und im zukünftigen Abrechnungsprozess und wie kommuniziert man richtig mit KIM?
Auch bei der Abendveranstaltung mit PZ-Chefredakteur Benjamin Rohrer, dem Gematik-Chef Markus Leyck Dieken, dem ABDA-Vizepräsidenten Matthias Arnold, Dr. Sabine Richard von der AOK, Dr. Thomas Kriedel von der KBV, und der Apothekeninhaberin Beate Garbe ging es um die vielen verschiedenen Baustellen, die noch vor der Einführung auf dem Weg liegen6.
Der letzte Tag war für mich vor allem in Bezug auf Sinn und Unsinn von Plattformlösungen interessant7. Sind die Plattformen letztlich ein Fluch oder ein Segen für die Apotheke vor Ort? Wird sie dadurch gesichtslos, oder kann sie sich digital sogar besonders gut profilieren? Ist es wirklich ein so immens großer Vorteil, sich „hybrid“ präsentieren zu können (vor Ort und digital), dass man sich die (Preis-) Vergleichbarkeit mit weit größeren Unternehmen leisten kann?
Die Frage, welcher Plattform sich die einzelne Apotheke anschließt, stellt sich durchaus. Die Frage „ob oder ob nicht“ wird vermutlich in den kommenden Jahren obsolet. Denn wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Das gilt für Apotheken genauso, wie für den Tante-Emma-Laden aus dem vorigen Jahrhundert.
Alles in allem war die Veranstaltung über die Tage sehr interessant, denn jeder kann sich nach seinem Gusto aus dem breiten Angebot informieren. Gesundheit, Kundenbindung, neuere Therapieformen, Rezeptur, Digitales, Kommunikation, E-Rezept – es scheint, als wären die Themen rund um die Apotheke unerschöpflich. Und das ist auch gut so.
Ich kann es trotzdem nicht mehr erwarten, diese Veranstaltung live zu erleben, denn das reine Zusehen von daheim aus ist trotz Networking-Pausen, in denen man mit anderen Besuchern virtuell in Kontakt treten konnte, einfach nicht dasselbe.
Übrigens: Auch wer nicht bei der Live-Messe dabei war, kann sich noch registrieren und bis zum 14. Januar 2022 die Aufzeichnungen ansehen.
Quellen:
1. https://www.expopharm-impuls.de/live/event/event.php?pg=agenda&showdetail=7 (nur mit Zugang)
2. https://www.doccheck.com/de/detail/articles/31046-testzentrum-das-schittenhelm-projekt
3. https://www.expopharm-impuls.de/live/event/event.php?pg=agenda&showdetail=6 (nur mit Zugang)
4. https://www.expopharm-impuls.de/live/event/event.php?pg=agenda&showdetail=31 (nur mit Zugang)
5. https://www.expopharm-impuls.de/live/event/event.php?pg=agenda&showdetail=51 (nur mit Zugang)
6. https://www.expopharm-impuls.de/live/event/event.php?pg=agenda&showdetail=80 (nur mit Zugang)
7. https://www.expopharm-impuls.de/live/event/event.php?pg=agenda&showdetail=87 (nur mit Zugang)
Bildquelle: Kelly Sikkema, unsplash