Besonders bei schweren COVID-19-Verläufen kommt es oft zu einer massiven Thrombenbildung. Neue Forschungsergebnisse zeigen einen zugrundeliegenden Mechanismus auf.
Neutrophile Granulozyten stellen eine wichtige Verteidigungslinie bei Immunreaktionen auf verschiedenste Krankheitserreger dar. Wie aus Forschungsarbeiten bekannt ist, können sie aber im Organismus selbst auch Schäden anrichten – etwa, wenn sie in einen „hyperaktivierten“, gerinnungsfördernden Zustand übergehen. Jüngste Veröffentlichungen konnten zeigen, dass diese proinflammatorischen neutrophilen Granulozyten auch zu Lungenverletzungen und dem akuten Atemnotsyndrom (ARDS) bei Patienten mit COVID-19 beitragen können.
Eine Forschungsgruppe aus München wollte herausfinden, wie genau neutrophile Granulozyten zum Fortschreiten einer schweren COVID-19 beitragen. In ihrer kürzlich veröffentlichten Arbeit nutzten die Wissenschaftler neben modernen massenspektrometrischen Proteomik-, Transkriptom- und Korrelationsanalysen auch funktionelle In-vitro- und In-vivo-Studien. Sie fanden bei ihren Untersuchungen eine verstärkend wirkende systemische Interleukin-8 (CXCL8/IL-8)-Dysregulation, die eine von Neutrophilen getriebene Immunpathologie nicht nur initiiert, sondern auch aufrecht erhält. Eine Art positive Rückkopplungsschleife aus systemischer und neutrophiler autokriner IL-8-Produktion führt schließlich zu einem aktivierten, prothrombotischen neutrophilen Phänotyp, der durch Degranulation und Bildung von neutrophilen extrazellulären Fallen (NETs) gekennzeichnet ist, erklären die Forscher.
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Bei schwerem COVID-19 lösen Neutrophile so direkt die Gerinnungs- und Komplementkaskade aus, was bei diesen Patienten zu dem beobachteten immunthrombotischen Geschehen beitragen könnte.
Die Forscher konnten aber auch zeigen, dass eine gezielte Beeinflussung dieser IL-8-CXCR-1/-2-Achse den Teufelskreis unterbrechen und die Aktivierung, Degranulation, NETose und IL-8-Freisetzung der Neutrophilen vermindern kann. Im Maus-Versuch konnte durch die Blockierung der IL-8-ähnlichen Signalübertragung eine durch das SARS-CoV-2-Spike-Protein induzierte, pulmonale Mikrothrombose reduziert werden.
Mit ihrer Arbeit liefert das Team um Konstantin Stark von der Maximilians-Universität (LMU) München umfassende Einblicke in die Aktivierungsmechanismen von neutrophilen Granulozyten und ihre Bedeutung im Zusammenhang mit COVID-19. Die entdeckte Neutrophilen-IL-8-Achse könnte in Zukunft ein vielversprechendes therapeutisches Ziel bei schweren COVID-19-Verläufen darstellen. Ihre Ergebnisse veröffentlichte die Gruppe im Journal JCI insight.
Bildquelle: Nick Fewings, unsplash