Das Morphin-Präparat Substitol® für die Substitutionstherapie ist derzeit nicht verfügbar. Compensan® aus Österreich soll aushelfen – aber es ist kompliziert.
Die Substitutionstherapie ist eine wirkungsvolle Maßnahme bei Patienten mit Opioid-Sucht. Dennoch muss die Substitution mit einigen Widrigkeiten kämpfen – etwa, dass es zu wenige Ärzte gibt, die eine solche Therapie anbieten und das generelle Stigma einer Behandlung von Sucht mit anderen Drogen. Auch ist es für die Betroffenen oft nicht einfach, die Behandlung konsequent durchzuziehen, da sie in vielen Fällen zeitintensiv ist. In diesem Jahr kam eine neue Hürde hinzu: Die Firma Mundipharma kündigte einen Lieferengpass für das Substitutionsmedikament Substitol® an.
Der Wirkstoff von Substitol® ist Morphinsulfat – in Deutschland ist es das einzige Morphin-Präparat, das für die Substitutionstherapie zugelassen ist. Naheliegend wäre es, auf einen anderen Wirkstoff umzusteigen. Das ist allerdings sehr schwierig, erklärt Dr. Manfred Nowak, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie: „Methadon oder Buprenorphin haben eine ganz andere Wirkungsweise. Substitol® beeinflusst die emotionale Verarbeitung kaum und benebelt nicht so wie etwa Methadon.“ Gerade bei Patienten, die mit einer hohen Dosis Substitol® behandelt werden, wäre ein Umstieg auf Methadon problematisch für die Psyche und die ganze Wahrnehmung. Und Buprenorphin wäre ohnehin höchstens bei Patienten möglich, die bisher eine niedrige Dosis Substitol bekommen hatten.
Um die Arztpraxen nicht in eine solche Situation zu bringen, hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) reagiert und das österreichische Compensan® (Wirkstoff: Morphinhydrochlorid-Trihydrat) als Ersatz für Substitol® genehmigt.
Zwar ist Compensan® nicht in allen Dosierungen verfügbar, die Substitol® zu bieten hatte. Das sei allerdings keine große Schwierigkeit, sagt Nowak: „Unsere Patienten haben große Toleranzen, was die Dosis angeht.“
Nowak sieht vielmehr das Problem darin, ausreichend Compensan® für die Patienten zu bekommen. Laut BfArM haben die gesetzlichen Krankenversicherungen zwar die Kostenübernahme für Compensan® zugesagt, solange Substitol® nicht erhältlich ist. Das bestätigen auch die AOK und die Techniker Krankenkasse. Doch die Apotheken müssen trotzdem bei jeder Krankenkasse einzeln nachfragen, ob diese eine Übernahme der Kosten von Compensan® vorsieht – ein bürokratischer Aufwand. Die Antwort, so Nowaks Erfahrung, kann zudem sogar von den jeweiligen Sachbearbeitern abhängen.
Dazu kommt, dass Nowak einen zusätzlichen Lieferengpass für Compensan® durch Einfuhrbeschränkungen erwartet. Er befürchtet, zeitweise nicht genug von dem Präparat für seine Patienten bekommen zu können. Das BfArM hingegen ist zuversichtlich, dass die Versorgung mit Compensan® sichergestellt ist. Die bereits eingeführten Kontingente seien bisher nicht vollständig abverkauft und eine Folgelieferung zum Vertrieb in Deutschland noch im September 2021 avisiert.
Ursprünglich sollte der Lieferengpass von Substitol® laut Mundipharma im September/Oktober behoben sein. Die Firma hat das voraussichtliche Ende mittlerweile allerdings auf Ende November/Dezember umgemeldet. Nowak rechnet nicht damit, dass das Unternehmen den Vertrieb von Substitol® wieder aufnimmt, und auch die AOK Rheinland/Hamburg meldet auf ihrer Seite zu dem Thema, dass der Lieferengpass möglicherweise länger bestehen wird, als bisher angegeben. Handfeste Hinweise dafür gibt es allerdings nicht. Das BfArM geht nach den bisher vorliegenden Informationen davon aus, dass die Produktion und der Vertrieb von Substitol® nach Behebung der Produktionsprobleme wieder in vollem Umfang etabliert werden.
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