Einem Forschungsteam ist es gelungen, den Lebensweg von Darmkrebszellen nachzuverfolgen. Dabei konnten die Wissenschaftler beobachten, wann Therapien greifen – und wann Zellen auf die schiefe Bahn geraten.
Bei einer Krebserkrankung bestimmen die unterschiedlichen Krebszellen die Entwicklung der Krankheit und somit auch die Wirkung von zielgerichteten Therapien. Besonders gefährlich ist die Fähigkeit der Zellen, sich fortlaufend ihren Umweltbedingungen anzupassen. Ein Forschungsteam der Charité wollte nun mehr über die Zusammensetzung von Zelltypen in Tumorgewebe erfahren, um deren Entwicklung nachzuvollziehen und durch Therapien gezielter eingreifen zu können.
Herkömmliche Sequenzierungsmethoden liefern jedoch nur eine Momentaufnahme der Genaktivität in den Zellen, weshalb die Forscher die Technik der Einzelzellsequenzierung nutzten: Sie legten dreidimensionale Darmkrebs-Zellkulturen an, um so die dynamischen Veränderungen dieser Zellen im Gewebeverband nachzuvollziehen. Erstautor Dr. Markus Morkel erklärt: „Mit diesen sogenannten Organoiden konnten wir den Lebensweg der Zellen nachzeichnen. Hierfür wendeten wir einen experimentellen Kunstgriff an, bei dem die RNA zu einem bestimmten Zeitpunkt speziell markiert wird. So lässt sich nicht nur der jeweils aktuelle Zustand jeder Zelle bestimmen, sondern auch, wie die Genaktivität wenige Stunden zuvor ausgesehen hat.“
Das Forschungsteam untersuchte daraufhin, wie sich die Tumorzellen dieser Organoide an Therapien mit zielgerichteten Inhibitoren anpassen. Auf diese Behandlung reagierten nicht alle Darmkrebszellen gleichermaßen. Während manche Zellen durch die Therapie ausgelöscht wurden, gelangten andere quasi auf die schiefe Bahn: Sie bogen auf ihrem Lebensweg ab, um einen neuartigen Zustand anzunehmen, der sie resistent gegenüber der vorangegangenen Behandlung macht.
„Solche Einzelzelluntersuchungen an Tumormaterial sind eine große logistische und technische Herausforderung“, erläutert Morkel. Das Team hofft trotzdem, Einzelzelltechnologien in der Forschung zu etablieren. Eine der Herausforderungen dabei: „Es entstehen sehr große Datenmengen, wenn wir die Aktivität von Tausenden Genen in Hunderttausenden Zellen messen“, sagt Prof. Nils Blüthgen der Humboldt-Universität zu Berlin.
Doch der Aufwand lohnt sich: Einzelzelluntersuchungen sollen zukünftig eine Schlüsselrolle in der Erforschung neuer Therapiemöglichkeiten für Krebserkrankungen spielen. „Insbesondere die Fortschritte im Bereich des maschinellen Lernens erlauben uns nun, diese Daten effizient zu analysieren, um die wesentlichen Prozesse in den Zellen zum Wohle künftiger Patienten besser zu verstehen“, so Blüthgen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Aron Visuals, unsplash.